Was ist mit Monti los?

Er twittert, reißt Witze, tingelt von einer Fernsehsendung in die nächste, polemisiert, will plötzlich die Steuern senken … Was ist bloß aus unserem drögen Professor geworden, aus seinen Endlosreden mit leicht einschläfernder Wirkung, aus seiner aristokratischen Ferne vom politischen Gezänk?

Aus und vorbei. Der nüchterne Technokrat Monti ist zum Wahlkämpfer mutiert und die Wirkung ist mitunter irritierend. „Auf einmal spricht er wie ein alter Christdemokrat“ wundert sich der Journalist Curzio Maltese in der „Repubblica“ und sein Kollege Francesco Merlo findet gar: „Monti verrät Monti, wenn er mit dem Steuerthema Populismus betreibt“.

Monti beim Twittern - ganz ohne technische Assistenz geht es noch nicht...

Monti beim Twittern – ganz ohne technische Assistenz geht es noch nicht…

„100.007 Follower! WOW!!“

Das mag übertrieben sein, aber die Verwandlung ist nicht zu leugnen. Schon allein wegen seiner plötzlichen Begeisterung für neue Kommunikationsformen: in ungewohnt lockerem Ton („Hallo, da bin ich!“), mit lustigen Smiles und trendigen Jubelrufen („100.007 Follower! WOW!“) dialogisiert er heftig mit dem Web-Volk. Aber es geht nicht allein um den neuen Kommunikationsstil, sondern auch um die Inhalte. Hatte er – als Ministerpräsident – in seiner Pressekonferenz zum Jahresende noch gewarnt, wer von Steuerabsenkung oder gar -abschaffung rede, handele unverantwortlich, verkündet er jetzt, die (gerade eingeführte) Immobiliensteuer IMU müsse „modifiziert“, die Mehrwertsteuer eingefroren und die Einkommenssteuer um einen Punkt abgesenkt werden. Denn schließlich seien Italiens Zahlen inzwischen – Dank seiner Regierung – „wieder in Ordnung“. Bei über 2.000 Milliarden Euro Schulden – Tendenz steigend – eine kühne Behauptung, die aus dem Munde des Cavaliere nicht verwundern würde, aus dem des Professore aber schon. Zumal er eine Refinanzierung durch Vermögenssteuern bzw. die höhere Belastung von Luxusimmobilien ablehnt.

Erstaunlich auch, dass sich ausgerechnet Monti, der sich immer der Stabilität und Glaubwürdigkeit Italiens verpflichtet fühlte, nun auf eine Wahlkampftaktik einlässt, die das offensichtliche Ziel verfolgt, eine Mehrheit der Mittelinks-Koalition im Senat zu verhindern, damit sein Zentrum die Rolle des „Züngleins an der Waage“ spielen kann. Denn nichts Anderes tut sein Zentrum-Bündnis, wenn es in wahlentscheidenden Regionen wie der Lombardei einen eigenen Kandidaten aufstellt. Der hat zwar selbst keinerlei Erfolgsaussichten, kann aber dem linken Kandidaten wichtige Stimmen abnehmen. Mit dem wahrscheinlichen Ergebnis, dass am Ende der Kandidat von PdL und Lega, Maroni, gewinnt und die populistische Rechte dank satter regionaler Mehrheitsprämie eine linke Mehrheit im Senat verhindern kann.

Versuchungen des Wahlkampfs

Taktische Spielchen, die zu einem ausgebufften Poliker alten Stils wie Casini besser passen als zum Staatsmann Monti. Wenig staatsmännisch ist auch Montis Aufforderung an Bersani, er möge sich von „seinen extremen Flügeln“ befreien und Leute wie Fassina (PD-Wirtschaftsexperte) und Vendola (Leader von SEL) „ruhigstellen“. Worauf Bersani trocken entgegnete „Von mir wird keiner ruhiggestellt und im Übrigen erwarte ich für alle in meiner Koalition den gleichen Respekt, den wir selbst den politischen Kontrahenten entgegenbringen“.

Aber auch B. muss sich auf den „neuen Monti“ einstellen. Für seine Kritik an ihn, die er früher mit feiner Ironie würzte (von der Art „Ich habe Mühe, der Geradlinigkeit seines Denkens zu folgen, es gibt da einen Rahmen mentalen Verständnisses, der sich mir entzieht“), bedient sich Monti jetzt schärferer Töne: B. sei ein „gefährlicher Illusionist“, wie „der Rattenfänger von Hameln, hinter den die Mäuschen her laufen, bis sie sich selbst ertränken“.

Einerseits wirkt Monti in der Rockerjacke (wie Udo Lindenberg sagen würde) des polemischen Wahlkämpfers etwas deplatziert, andererseits scheint er aber auch ein gewisses Vergnügen daran zu empfinden, den professoralen Habitus abzulegen und eine neue Rolle in der politischen Arena zu spielen. Mal sehen, wie weit und vor allem wohin ihn diese Verwandlungslust treibt. Hoffentlich nicht bis zu dem Punkt, dass er B. nachzuahmen beginnt, der seinen Wahlkampf als populistisches Dauer-Kabarett inszeniert. Vielleicht sollte sich der neue Monti doch lieber an Bersani orientieren, der es versteht, harte Kritik am politischen Gegner mit Sachlichkeit ohne Populismus zu verbinden.