Nur ein Streit um Regeln?

In der PD wird um „Regeln“ gestritten. Wahrscheinlich Ende November soll ein Kongress stattfinden, auf den sich viele Erwartungen richten, weil alle wissen, dass sich die PD in keinem guten Zustand befindet – es geht um Programm, Einheit, Zukunft. Unter anderem steht die Wahl eines neuen Generalsekretärs an – in Deutschland hieße er Parteivorsitzender -, womit das Interregnum Epifani, das nach Bersanis Rücktritt begann, ein Ende fände. Nun geht es um zwei Fragen: Ist der neue Generalsekretär auch der Kandidat für den nächsten Ministerpräsidenten, und werden an seiner Wahl auch Nicht-PD-Mitglieder beteiligt? Da es hier nicht nur um „Regeln“ geht, wird der Streit mit zunehmender Heftigkeit ausgetragen.

Uns Deutsche mag dies verwundern. Ob der jeweilige Kanzlerkandidat auch Parteichef sein soll, scheint uns eher eine Frage der Opportunität, und auf die Idee, einen Kanzlerkandidaten oder Parteivorsitzenden mit der Methode amerikanischer „Primaries“ zu wählen, ist noch niemand gekommen. Aber die PD, die es in heutiger Form erst seit 2008 gibt, wählte ihre bisherigen Sekretäre (Veltroni und Bersani) mit „Primarie“, und damit auch gleich als Ministerpräsidenten-Kandidaten. Das macht die Abkehr von einem solchen Verfahren begründungspflichtig.

Trennung der Funktionen?

Die gegenwärtige PD-Spitze möchte beide Wahlen trennen und den PD-Sekretär nur durch die Mitglieder wählen lassen. „Primarie“ will man sich für die Wahl des nächsten Ministerpräsidenten-Kandidaten aufsparen, die erst später stattfinden soll.

Auf den ersten Blick mit guten Gründen. Dafür, dass im Herbst nur der Partei-Sekretär neu gewählt werden sollte, spricht die Existenz der Regierung Letta. Letta gehört zur Führung der PD; mit ihrer Zustimmung wurde er Chef einer zwar ungeliebten, aber für unausweichlich gehaltenen Koalition mit der PdL. Letta schon im Herbst den „eigentlichen“ PD-Kandidaten für den Regierungschef vor die Nase zu setzen, würde ihn, so die Befürchtung, vorzeitig demontieren. Für die Trennung gibt es noch ein weiteres Argument, bei dem man sich allerdings fragen kann, warum es erst jetzt kommt: Der Sekretär müsse die Partei führen, der Kandidat für den Regierungschef hingegen vom Volk gewählt werden und dann regieren. Das seien verschiedene Aufgaben, weshalb es auch richtig sei, verschiedene Wahl-Verfahren anzuwenden: beim Parteisekretär durch die Mitglieder, bei der Wahl des Ministerpräsidenten-Kandidaten durch offene „Primarie“.

Renzi ante portas

Es gibt noch einen Grund für die Trennung, der aber nicht offen angesprochen wird, obwohl er entscheidend sein dürfte. Dieser Grund ist Matteo Renzi. Er kandidiert zum neuen Parteisekretär und will, dass es dabei auch um den Kandidaten für den nächsten Regierungschef geht. Und dass die Wahl dem Muster der „Primarie“ folgt, denn dann, so glaubt er, hat er bessere Wahlchancen. Aber während er den einen als Hoffnungsträger gilt, der die nächste Wahl gewinnen könnte, trifft er in der PD-Führung und auch in Teilen der Mitgliedschaft auf Vorbehalte: zuviel Sprechblasen, zu glatt, zu narzisstisch, zu „rechts“. Wenn an ihm als Ministerpräsidenten-Kandidat vielleicht kein Weg vorbeiführt – was schon genug Bauchschmerzen verursacht -, dann soll er wenigstens nicht auch noch zum Parteisekretär gewählt werden. Und vielleicht ließe sich Letta bis zu einem späteren Zeitpunkt auch noch als Kandidat für den nächsten Regierungschef aufbauen.

Letta und Renzi: Konkurrenten?

Letta und Renzi: Konkurrenten?

Aber es gibt auch schwerwiegende Argumente gegen die Trennung. Das gewichtigste ist die Disziplinlosigkeit der Partei: Lasse man zu, dass sich in ihr zwei Machtzentralen bilden – die eine um den Generalsekretär, die andere um den Kandidaten für den Regierungschef -, werde über kurz oder lang die eine gegen die andere arbeiten. Prodi als Ministerpräsident sei unter anderem daran gescheitert, dass er nicht die Partei kontrollierte. Auch das Argument, dass man vorzeitig die Regierung Letta demontiere, wenn man schon im Herbst den nächsten Kandidaten für das Regierungsamt wähle, lässt sich umkehren. Die Regierung Letta und die Koalition PD – PdL sind eine durch Grillo und Napolitano erzwungene Notmaßnahme. Aber eine wirkliche Reformpolitik wird erst dann beginnen können, wenn diese Koalition vor dem Ende der regulären Legislaturperiode beendet wird. Schon im Herbst einen Kandidaten für die Nach-Letta-Zeit zu wählen, wäre dafür ein Signal.

Eine Neugründung tut Not

Die Frage, ob man denn auch den neuen Parteisekretär mithilfe von Primarie wählen solle, berührt ein weiteres Problem. Die PD ist zerrissen. Bisher hat sie es nicht einmal geschafft, über ihr Versagen bei der Wahl Prodis zum Staatspräsidenten zu diskutieren, obwohl dies Bersani politisch das Genick brach. Weshalb nun viele eine „Neugründung“ der PD fordern, in der alles auf den Prüfstand kommt: ihr Programm, ihre Zersplitterung, ihre Verselbständigung gegenüber der Basis. In diesen Prozess auch Nicht-Mitglieder einzubeziehen, wäre sinnvoll. Und damit auch in die Wahl eines Parteisekretärs, der mit seiner Mannschaft für eine solche Erneuerung steht.

Ob Renzi dafür der richtige Mann ist, wird sich noch zeigen müssen. Sicher ist nur: In ihrer jetzigen Stagnation darf die PD nicht verharren.