Deutschland und Italien (1) – Europa bleibt auf der Strecke

Unmittelbar vor seinem Besuch bei Angela Merkel am 11. Januar warnte Mario Monti in einem Interview mit der „Welt“:

„Wenn es für die Italiener in absehbarer Zeit nicht greifbare Erfolge ihrer Spar- und Reformbereitschaft gibt, wird in Italien ein Protest gegen Europa entstehen – auch gegen Deutschland, das als Anführer der EU-Intoleranz gilt, und gegen die Europäische Zentralbank“.

In einer Beziehungskiste gehören immer zwei. Ich beginne mit der deutschen Seite, und zwar gleich mit der Frage, welches Bild sich der normale politisch interessierte Italiener von der deutschen Italienpolitik der letzten Jahre machen musste.

Während der Zeit der Berlusconi-Herrschaft überwog lange Zeit eine ebenso freundliche wie gleichgültige Duldsamkeit. Im eigenen Land konnte B. sich aufführen wie er wollte, mit Korruptions- und Sexskandalen samt Angriffen auf Justiz und Verfassung, ohne dass es eine offizielle Reaktion aus Deutschland gab. Wenn B. mit Merkel zusammentraf, wurde herzlichstes Einvernehmen demonstriert, und B. konnte sich auch innenpolitisch damit brüsten, ein respektiertes Mitglied der Europäischen Volkspartei zu sein, unter deren Dach man im Europarlament eine gemeinsame Fraktion bildete. Kam es dort zu Versuchen, die Politik des Berlusconi-Regimes zu kritisieren, spielte die EVP ihre ganze Macht als stärkste Parlamentsfraktion aus, um sie im Keim zu ersticken. Die EVP-Kongresse boten B. die Tribüne, um von dort aus gegen die „Kommunisten“ vom Leder zu ziehen, die ihn im eigenen Land mit ihren Verleumdungen und Gerichtsverfahren verfolgten. Lange genug wurde er dabei heftig beklatscht, auch von der CDU/CSU, denn B. gehörte eben „zur Familie“.

Da Angela Merkel auch deutsche Bundeskanzlerin ist, war dies die Art und Weise, wie die deutsche Politik bis zum Sommer 2011 ihre Verantwortung gegenüber Italien und Europa (nicht) wahrnahm. Dann kam die Euro-Krise, die nach Griechenland, Irland, Portugal und Spanien Mitte 2011 ebenfalls Italien erfasste. Da es nun auch um den Euro und um deutsches Geld ging, änderte sich die deutsche Politik gegenüber B., der sich zunächst trotz hoher italienischer Staatsverschuldung lange geweigert hatte, die Krise überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Zeigte nun die deutsche Regierung endlich mehr europäische Verantwortung? Eigentlich nicht. Zwar schaltete sie von Duldsamkeit auf Intervention um: Italien wurde im Detail vorgeschrieben, was es für einen ausgeglichenen Staatshaushalt und für den Schuldenabbau zu tun habe, von Steuererhöhungen bis zu erleichterten Kündigungen. Aber in der Frage, ob man stagnierenden Ländern wie Italien nicht auch gegen die sich dort abzeichnende Rezession helfen sollte, folgte Angela Merkel eher den Empfehlungen deutscher Stammtische: Deutschland „darf nicht wieder zum Zahlmeister Europas“ werden. Obwohl in Italien die Regierung wechselte und Mario Monti glaubhaft versucht, die Staatsfinanzen zu sanieren und das Land wieder auf Wachstumskurs zu bringen, droht dem Land aufgrund der Merkelschen Politik genau das, wovor Mario Monti warnt: dass Italien trotz aller Opfer in eine noch tiefere Rezession gerät.

Im nächsten Beitrag werden wir sehen, dass die nationalistischen Populisten Italiens nur darauf warten, die deutsche Politik auf ihre Weise zu interpretieren.

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