Hässliche Lega, hässliches Europa

Das Antlitz der Lega ist hässlich: egoistisch, fremdenfeindlich, lokalistisch, selbstgerecht. Auf den ersten Blick ein Fremdkörper in Europa. Ist sie es auch auf den zweiten Blick?

Die Ereignisse der letzten Monate in Nordafrika und im Nahen Osten reißen den Schleier von mancher verborgenen Wahrheit. Wobei auch Hässliches zum Vorschein kommt. Unser reiches, demokratisches und immer noch relativ soziales Europa lebte bisher gut damit, dass es nach Süden hin von einem Ring diktatorischer Regime abgeschottet wurde, die uns die Flüchtlinge vom Leib hielten. Ich meine nicht die klassischen Asylbewerber, um die sich Amnesty International sorgt und deren Rechte Europa zumindest mit Worten schützt, auch wenn die rechtlichen und vor allem faktischen Hürden, die es ihnen gegenüber errichtet, immer höher werden. Ich meine diejenigen, die in Italien gemeinhin „Clandestini“, in Deutschland (vornehmer) „Wirtschaftsflüchtlinge“ genannt werden und die man schlicht Armutsflüchtlinge nennen sollte. Und die – zur Wut auch unseres Innenministers – gegenwärtig zu Tausenden in Lampedusa ankommen.

Gegen sie schützten uns die nordafrikanischen Diktaturen, und sie taten es wirkungsvoll, weil ihre Mittel rigoros waren und keineswegs europäischen Standards entsprachen. Zum Beispiel das Gadhafi-Regime: Es hielt die Flüchtlinge im eigenen Lande auf, und kamen sie dann doch bis ans Mittelmeer und wurden dort nicht gleich samt ihren morschen Booten versenkt, wurden sie „zurückgeführt“. Die Eingeweihten wussten, worüber der Mantel des Schweigens gebreitet wurde: unmenschliche Transporte, KZs, Vergewaltigung, Tod.

Europa ersparte das einiges. Vor allem eine Politik, die sich wirklich um eine Überwindung des Nord-Süd-Gefälles bemüht. Die Diktaturen lieferten auch dafür ein Alibi. Denn wer will schon, dass deutsche Steuergelder in dunklen Kanälen versickern.

Fordert da jemand, dass wir wieder einmal die ganze Welt retten sollen? Machen wir es uns mit der Antwort nicht so leicht. Die Lega ist so unhöflich, uns die Konsequenz des „Weiter so wie bisher“ ohne Schnörkel vor Augen zu führen: Kriegsschiffe im Mittelmeer, die die europäische Küste vor den Flüchtlingen schützen, und in Nordafrika Rückkehr zu den alten Verhältnissen. Womit wir uns dann wieder ungestört darauf konzentrieren können, unseren Frieden, unseren Wohlstand, unseren Sozialstaat zu pflegen.

Dann sollten wir aber auch die europäische Duldsamkeit gegenüber Berlusconi mit anderen Augen zu sehen. Er ist der Mann, der Europa vom Süden her abschirmt und dafür auch die Drecksarbeit übernimmt. Der Gadhafi die Hand küsst und ihn in Rom sein Zelt aufschlagen lässt, und 200 junge Mädchen in Marsch setzt, damit Gadhafi ihnen vor laufendem Fernsehen den Koran überreichen kann (wie es noch im November 2009 geschah). Das war „Einbindung“. Im Gegenzug bekam Europa flüchtlingsfreie Küsten und gute Geschäfte.

Die Komplizität der deutschen Regierung mit B. – einem Mann, der nur einen Wert kennt, nämlich sich selbst – war uns lange schwer erklärlich. Eine Zeitlang meinten wir, dass ihn die EVP nur benötigt, um im Europaparlament die stärkste Fraktion zu bilden. Waren wir naiv? Vielleicht braucht die europäische Politik genau solche Männer, die skrupellos sind und dabei Fünfe gerade sein lassen. Und uns damit gegen die Armutsflüchtlinge abschotten. Diktatoren wie Gadhafi, Ehrenmänner wie B. Damit wir weitermachen können wie bisher.

Hässliche Lega? Hässliches Europa!