Berlusconi wird ausgemustert

„Hier werden wir‘s recht toll treiben, sagten sie“ (Brecht, Ballade vom Baum und den Ästen).

Seitdem sie die Regierung übernommen haben, fallen die 5SB und die Lega wie die Raben über alles her, was es zu verteilen gibt. Du bekommst dies, ich bekomme das, zusammen bekommen wir alles. Grillo dachte laut darüber nach, dass sie mindestens 20 Jahre an der Macht bleiben wollen (ebenso lange, wie der Duce herrschte).

Übernahme der RAI

Wer langfristig plant, braucht auch die Kontrolle über das Fernsehen. Vor allem für die 5SB liegt die Zukunft zwar im Netz, um das kümmert sich Casaleggio, aber erst einmal muss man verhindern, dass das öffentliche Fernsehen noch „Lügen verbreiten kann“. Zum Glück der neuen Verbündeten ist es in Italien so verfasst, dass die Parteien leichten Zugriff haben. In den guten alten Zeiten, die bis in die 80er Jahre hinein reichten, gab es ein gentleman agreement namens „Lottizzazione“ (Parzellierung): RAI 1 mit der besten Sendezeit gehörte den Christdemokraten und später den Sozialisten, in RAI 3 hatten die Kommunisten ihre Spielwiese, und von den Päpsten hörte man, dass sie sich vor allem die Nachrichten von RAI 2 anschauten. Am leichten Zugriff kann das neue Bündnis anknüpfen, aber im Vergleich zu früher mit einem feinen Unterschied: „Parzelliert“ wird nur noch zwischen 5SB und Lega. Es beginnt damit, dass die Lega den Präsidenten und die 5SB den Aufsichtratsvorsitzenden bekommt. Während man früher wenigstens noch die Form wahrte, indem man für die Spitzen oft „uomini di garanzia“ suchte, die noch ein wenig Unabhängigkeit und Professionalität verkörperten (die knallharte Parteipolitik fand eine Stufe tiefer statt, bei den Sendern und Ressorts), hat man jetzt solche Feigenblätter nicht mehr nötig. Wer die Republik „von Grund auf erneuern“ will, braucht nur noch eine „Garanzia“: für den Bruch mit dem Alten.

Der Kandidat der Lega

Matteo Salvini hat also das Vorschlagsrecht für den Präsidenten der RAI, das war mit Di Maio so ausgemacht. Marcello Foa hieß der Mann, den er auf diesen Posten hieven wollte, einen früheren Journalisten des rechten Kampfblatts „Il Giornale“, das Berlusconis Familie gehört. Massimo Giannini charakterisiert ihn (in der „Repubblica“ vom 2. 8.) als „erklärten Souveränisten (Italy first, HH) und Bewunderer der russischen Demokratur Putins, gegen Euro und Impfpflicht, ein Serien-Verbreiter national-populistischer Fake News“ (der z. B. in der Obama-Zeit verkündete, in den USA stünden 150.000 Reservisten bereit, um Moskau anzugreifen; in Hillary Clintons Mannschaft würden satanische Orgien gefeiert würden; die deutsche Merkel-Regierung habe die Polizei angewiesen, alarmierende Informationen über islamistische Terrorpläne zu unterdrücken usw.). Genau der richtige Mann, um das öffentliche italienische Fernsehen zu leiten: auf Lega-Linie, mit „garanzia“ für ultrarechte Parteilichkeit, Bannon lässt grüßen.

Di Maio schluckte den Vorschlag, wie er fast alles schluckt, was von der Lega kommt. Jetzt gab es für die Wahl Marcello Foas nur noch eine letzte Hürde: In beiden Kammern verfügt die Allianz 5SB – Lega zwar über die Mehrheit, aber es gibt für die öffentlichen Medien noch eine parlamentarische Aufsichtskommission, in der neue RAI-Präsidenten eine Zweidrittel-Mehrheit bekommen müssen. Dass die Linke (PD und LeU) dagegen stimmen würde, war klar. Zur Zweidrittelmehrheit hätte es trotzdem gereicht, wenn auch Berlusconis Forza-Italia zugestimmt hätte. Aber sie tat es nicht, womit Foas Kandidatur (vorerst) gescheitert war.

Die Niederlage war geplant

Eine Niederlage für Salvini? Man wird den Eindruck nicht los, dass er den Eklat bewusst angesteuert hatte. Warum sonst hat er es bei der Nominierung von Foa fast demonstrativ unterlassen, sich vorher mit Berlusconi abzustimmen? Immerhin befinden sich beide immer noch im „Bündnis“, das zwar bei der Regierungsbildung Risse zeigte, aber in vielen Kommunen und Regionen des italienischen Nordens weiter besteht. Salvini weiß, dass der Medienmogul Berlusconi ein hohes Interesse an der Neubesetzung der RAI-Führung hat, und hat es in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, gerade auch die „persönlichen“ Interessen Berlusconis zu berücksichtigen. Aber diesmal war es anders: Allzu selbstherrlich verkündete er, dass Foa „sein“ Mann sei. Als Berlusconi Bedenken äußerte, schien es ihn zu animieren, nun erst recht an ihm festzuhalten.

Hier kompliziert sich Salvinis Machtspiel. Einerseits will er sich mit Di Maio die staatlichen Pfründe teilen. Andererseits will er aber auch den Machtkampf, den er mit Berlusconi um die Vorherrschaft im rechten Lager führt, endgültig für sich entscheiden. Er tut es aus einer Position der Stärke heraus, denn nach den letzten Meinungsumfragen käme er bei Neuwahlen auf etwa 30 %, Berlusconis Forza Italia nur noch auf etwa 10 %. Angeblich häufen sich auf der regionalen und kommunalen Ebene schon die Übertrittswünsche von der Forza Italia zur Lega – wenn die Ratten das Schiff verlassen, geht es bekanntlich bald unter. Eine letzte kleine Unsicherheit: Berlusconi ist laut Gerichtsbeschluss ab sofort wieder wählbar. Er galt einmal als genialer Wahlkämpfer, seine letzten Anhänger hoffen auf eine politische Wiedergeburt. Für Salvini vielleicht ein Grund mehr, um ihn zu erledigen.

Die Erklärung lautet also: Salvini wollte Berlusconi entweder öffentlich demütigen oder zu einem Veto zwingen, das es erlaubt, ihn als den Mann hinzustellen, der „mit der Linken stimmt“, um „die Veränderung zu verhindern“, und dafür die Einheit der Rechten opfert. Berlusconis Argument, mit dem er sich verteidigte, war immer öfter die Einheit der Rechten. Das dreht Salvini jetzt um: Nun ist Berlusconi der „Spalter“.

Dreifaches Machtspiel

Die ganze Affäre erweist sich als Vorspiel dafür, dass sich Salvini die Fessel, die für ihn das Bündnis mit Berlusconis Forza Italia inzwischen bedeutet, endgültig abstreift. Wenn die Forza Italia-Parlamentarier in der Aufsichtskommission gegen Foa stimmen würden, so Salvini Ankündigung, wäre es das „Ende des Bündnisses“. Und dann würde die Lega auch die bisher noch verschlossen gehaltenen Türen gegenüber Übertritten aus dem FI-Lager öffnen.
Der Bruch war angekündigt und ist inzwischen besiegelt: Bei den Wahlen, die in diesem Herbst in den Regionen Trentino, Abruzzen und Basilicata und im kommenden Frühjahr in Piemont, Emilia Romagna, Toscana und Kalabrien anstehen, werde die Lega nicht mehr im Bündnis, sondern allein antreten. Und auch wenn der Rechten dadurch diese oder jene Wahl verloren gehen sollte: Wenn die Tünche des „Bündnisses“ nicht mehr vorhanden sei und jeder allein kandidiert, werde man ja sehen, wie das Kräfteverhältnis aussieht. Wer die Umfragen kennt, weiß, dass es die Ankündigung einer Exekution ist.

Salvini betreibt ein dreifaches Machtspiel: (1) über das Bündnis mit der 5-Sterne-Bewegung in Italien die Rechte an die Macht zu bringen, (2) Berlusconi auszuschalten und (3) Italien in das Lager Le Pens und Orbans zu führen und zum „Visegrad im Herzen Europas“ zu machen. (1) ist erledigt, (2) steht kurz vor dem Abschluss, (3) ist auf dem Weg.

Nachbemerkung: Als wir vor fast neun Jahren den Blog „Aus Sorge um Italien“ begannen, richtete er sich vor allem gegen Berlusconi und alle diejenigen, die seine Herrschaft auch im Ausland – wie die EVP – unterstützten oder als „Folklore“ verharmlosten. Uns fehlte die Phantasie für das, was kam: dass Berlusconi zum Schleusenöffner für eine rechtspopulistische Wende wurde, in der jetzt (mit ihm selbst) ganz Italien versinkt.

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