Ein Manager soll FI wiederbeleben

Dass Berlusconi keine aktive Rolle in der italienischen Politik mehr spielt, weiß jeder. Doch als Strippenzieher betätigt er sich weiterhin rege, auch nach seiner schweren Herzoperation vor ein paar Monaten. Und wie bei ihm üblich, ändert er dabei immer wieder seine politischen Ansagen. Und macht immer neue taktische Winkelzüge, zum Leidwesen vieler Mandatsträger und Funktionäre der Forza Italia, die kaum noch zu ihm Zugang finden, geschweige denn sein Gehör.

Nach dem Bruch des „Nazareno-Paktes“ (so heißt das Haus, in dem die römische PD residiert) mit Renzi suchte Berlusconi zunächst die Nähe von Legachef Salvini, bei dem er sich geradezu anbiederte. Doch bei der Auswahl der rechten Bürgermeisterkandidaten für die Kommunalwahlen im Juni, u. a. in wichtigen Städten wie Rom und Mailand, fuhr er einen widersprüchlichen Kurs: In Mailand einigte er sich mit Salvini auf den „moderaten“ Stefano Parisi; in Rom lehnte er die gemeinsamen Kandidatin von Lega und Fratelli d‘ Italia ab (Giorgia Meloni) und unterstützte stattdessen den parteilosen Unternehmer Marchini. In beiden Fällen blieb der Erfolg aus, während die 5-Sterne-Bewegung – vor allem in Rom und Turin – aus den Kommunalwahlen als strahlender Sieger hervorging.

Parisis Kurs: neoliberal und europafreundlich

Innerhalb der FI macht sich mit der Angst, bei der nächsten Parlamentswahl massenhaft Mandate zu verlieren, auch Unzufriedenheit mit dem launischen Chef breit. Da kam der nächste Paukenschlag: Aus seinem feudalen Sitz in Arcore verkündete der Alte, sein neuer Auserwählter zur Rettung der Partei sei jener Parisi, der in Mailand, wenn auch nur knapp, dem PD-Kandidaten Giuseppe Sala (PD) unterlegen war.

Stefano Parisi

Stefano Parisi

Als „neuer Hoffnungsträger“ taugt Parisi nicht gerade. Er kommt – wie Berlusconi – aus Craxis Sozialistischer Partei und bekleidete in den 80er und 90er Jahren diverse Ämter in der Ministerialbürokratie und auf Regierungsebene. 1997 ernannte ihn der ehemalige Mailänder Bürgermeister Albertini (Mitterechts) zum „City Manager“. Später stieg er zum Generaldirektor des Unternehmensverbandes Confindustria auf und arbeitete danach in leitender Funktion in Banken und Kommunikationsunternehmen.

Parisi ist in erster Linie ein pragmatischer Manager und politisch ein Neoliberaler. Die „lepenistische“ Rechtsvariante der Lega ist ihm fremd. Er setzt eher auf einen europafreundlichen Kurs und spricht sich für eine klare Positionierung der italienischen Rechten in der EVP aus. Mit strategischen Entwürfen (von „Visionen“ rede ich lieber nicht, dazu fällt mir nur Helmut Schmidt ein: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“) ist er bisher nicht aufgefallen. Und sein Charisma hält sich – anders als bei seinem Sponsor – in Grenzen. Sich ihn als künftigen Leader des rechten Lagers vorzustellen, fällt zumindest mir schwer.

Berlusconis Entscheidung setzt rechtes Lager in Aufruhr

Ob sich der alte Chef schon auf diese Rolle für Parisi festgelegt hat, ist übrigens nicht gesagt. Dafür ist Berlusconi zu sehr Taktiker und Parisis „Auftrag“ noch zu unklar definiert. Derzeit liegt der Schwerpunkt darauf, dass er eine „Bestandsaufnahme“ über den (miserablen) Zustand der FI machen solle, um auf dieser Grundlage Vorschläge für eine „Erneuerung der Partei“ zu unterbreiten, die Mitte September von einer sog. „Convention“ erörtert werden soll (natürlich nur, wenn der Boss sie vorher genehmigt hat, wäre ja noch schöner).

Schon beim Wort „Erneuerung“ wird so mancher innerhalb der FI misstrauisch: „Wer soll demnächst abgesägt werden?“ fragen sich Brunetta (FI-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer), Romani (gleiche Rolle im Senat), Toti (Regionspräsident von Ligurien, Salvinis Busenfreund) und andere (bisher) einflussreiche FI-Vertreter. Politisch argwöhnen sie, Berlusconis Entscheidung für den „Soft-Manager“ könne bedeuten, dass der Oppositionskurs gegenüber Renzi aufgeweicht wird. Und kritisieren, dass Parisis „Nein“ zu Renzis Referendum über die Senatsreform nicht entschieden genug sei. Parisis Vorschlag, anstelle des Referendums einen „Verfassungskonvent“ einzuberufen, sei ein unrealistisches Hirngespinst.

Während es in der FI also heftig rumort, erteilt Legachef Salvini einer möglichen Leadership Parisis innerhalb des rechten Lagers eine harsche Absage. So einer wie Parisi werde sich in Brüssel jedem Merkel-Diktat unterwerfen, meint er. Er könne nur hoffen, dass Berlusconi seine Wahl überdenkt, andernfalls sei ein Bündnis zwischen FI und Lega nicht zu machen (dabei weiß er, dass die Lega ohne die FI auf nationaler Ebene keine Chance hätte, setzt aber darauf, dass dies umgekehrt auch gilt).

„It’s the economy, stupid!“

Die interessanteste Frage lautet: Was bewog Berlusconi dazu, ausgerechnet Parisi mit der „Erneuerung“ der Partei (vielleicht sogar mit der Schaffung eines neuen rechten Blocks, der auch die gemäßigte Rechte um Alfano und Casini einschließt, ohne die Lega) zu beauftragen, und zwar im Wissen, dass sein Auserwählter in der FI höchst umstritten ist? Die Antwort könnte bei denen zu suchen sein, die ihm diesen Schritt angeraten haben sollen: seine Tochter und Unternehmenserbin Marina, sein Fininvestmanager und engster Vertrauter Fedele Confalonieri – und natürlich sein Berater Gianni Letta, der ein Bündnis mit Salvinis Lega als mittlere Katastrophe betrachtet und viel lieber eine Wiederaufstehung des „Nazareno-Paktes“ sähe.

Dann wäre der Grund der immer gleiche: die Sorge um das Geschäft und die Zukunft des Finanzimperiums, die für Berlusconi Vorrang hat. Seine politischen Entscheidungen sind dem untergeordnet bzw. dazu funktional. Mit Blick auf die Folgen für das Unternehmen stellt der eurofeindliche Kurs der Lega, der womöglich auf einen „Italexit“ zielt, für Marina Berlusconi und Confalonieri eine Horrorvorstellung dar. Das Setzen auf den neoliberalen Manager Parisi soll helfen, ein solches Abdriften abzuwenden. Und der Patriarch, der sich auf die Weitergabe seines immensen Finanzerbes vorbereitet, hört auf sie mehr als auf den ganzen aufgeregten Haufen seiner FI-„Colonnelli“. „It’s the economy, stupid!“.

1 2 3 4 5