Die Theatralisierung der Politik

Dies ist eine kurze Reflexion darüber, wie sehr es die politische Opposition gegen Silvio Berlusconi kompromittiert und geschwächt hat, Berlusconi vor allem auf einen Gegenstand der politischen Satire zu reduzieren.

Als er sich 1994 entschied, in die Politik zu gehen, sprach er mit einer sportlichen Metapher davon, nun „in den Ring zu steigen“. Ich denke, der Eintritt Berlusconis in die Politik war in Wahrheit eher das ‚Betreten einer Bühne’.

MascheraBerlusconis Selbstinszenierung

Das Moment des Theatralischen kennzeichnet Berlusconi von Anfang an. Schon seine erste Rede, mit der er sich an die Italiener wandte und die sein Fernsehsender übertrug, machte dies klar. Da war es nicht nur die Erarbeitung und der Vortrag des geschriebenen Textes, sondern auch die Wahl der Maske, der Szene, des Anzugs und des Hintergrunds, was mit gleicher Sorgfalt und gleichem dramaturgischen Kalkül vorbereitet wurde.

Sein ‚Betreten der Bühne’ war also ein politisches Ereignis, das bewusst als theatralisches Event gestaltet war, als Auftritt einer ‚Figur’, welche die Hauptrolle übernimmt.

20 Jahre lang, und zwar bis heute, hat Berlusconi mit großer Könnerschaft diese theatralische Seite kultiviert, ebenso wie er – in einem Alter, in dem sie sonst eher auszufallen beginnen – das wundersame Entstehen und Wachstum seiner Haare pflegte.

In der Commedia dell’Arte erkennt man eine Figur an ihrer Kleidung und an ihrem Namen. Berlusconi ist der blaue Zweireiher, die Krawatte, die Lackschuhe mit hohen Absätzen, die ihn größer machen. Nun ist er für alle der ‚Cavaliere’, für die Presse, die auf ihn die Drehbücher zuschneidet, für die Bürger, die dem Schauspiel beizuwohnen haben.

Ist die Figur des ‚Cavaliere’ erst einmal geschaffen, zusammen mit den festen Nummern seines Repertoires (der Selfmade-Unternehmer; der Allfrontenkrieg gegen die Kommunisten; keine Steuern dem Staat, der die freie Initiative erstickt, usw.), muss er nach den Regeln der Commedia dell’Arte auch improvisierte Einlagen bieten („Kuckuck“ zu Angela Merkel, „Kapo“ zu Schulz, der „Braungebrannte“ zu Obama usw.).

Die Satire kolonisiert die Wirklichkeit

Dies ist die Figur des ‚Cavaliere’, die Berlusconi selbst schuf. Parallel dazu läuft die ständige Kreation seiner Figur durch die politische Satire: durch Schauspieler des TV-Kabaretts, Imitatoren und Karikaturisten. Berlusconi hat sich nie sonderlich über die bis zur Verhöhnung gehende Karikatur des ‚Cavaliere’ aufgeregt, wohl wissend, dass die Opposition der Satire eine Opposition Ihrer Majestät ist: Der Narr, der die königliche Hoheit veralbert, bestätigt sie – auch mit der Fratze, die er ihr schneidet. In Italien stellte die Opposition der Satire gegen Berlusconi die politische Opposition in den Schatten. Es ist leicht nachweisbar, dass in den vergangenen 20 Jahren in Italien auch die Formen der politischen Diskussion und Auseinandersetzung den Regeln des ‚Theaters’ folgten.

Pier Luigi Bersani, dem einstigen Leader der Anti-Berlusconi-Koalition und Kandidaten für den Ministerpräsidenten, gelang es während der letzten Parlamentswahlen im Februar 2013 nicht, sich von der Karikatur zu lösen, welche die Satiriker von seiner Rolle als politischer Führer und Programmatiker der Regierung zeichneten. Weil er glaubte, dass ihm seine Karikatur (die des bieder-ehrlichen Mannes, der über Politik wie der Thekenbesucher einer Provinzbar redet) beim Wahlkampf helfen könnte, beteiligte er sich an TV-Auftritten neben Maurizio Crozza, dem ihn imitierenden Komiker, indem er seine eigene Imitation imitierte.

Bersanis Wahlerfolg wurde nicht nur dadurch neutralisiert, dass der ‚Cavaliere’ seinen Stimmanteil weitgehend halten konnte. Sondern auch durch den Erfolg Beppe Grillos. Grillo ist ein professioneller Komiker, der die Satire nicht braucht, mit der sich andere Komiker auf ihn beziehen. Die authentische Satire produziert er selbst. Einer von vier Italienern misstraut den Imitationen und wählt – in Gestalt des Komikers Grillo – das Original. In Punkto Wahlerfolg wurde seine Bewegungspartei zur italienischen Nummer Eins.

Ein Ausrufer auf Berlusconis Spuren

Im Jahre 2013 wird Silvio Berlusconi wegen schwerwiegender Straftaten gegen den Staat verurteilt. Nun will Matteo Renzi zum Erfolg gegen Grillo kommen. Als Nachfolger Bersanis im Amt des PD-Generalsekretär und Ministerpräsident schlüpft er in die Rolle des ‚Jugendlichen Helden’. Und genießt dabei den Respekt des ‚Cavaliere’, mit dem er einen Pakt zur Verfassungsreform schloss.

Auf der medialen Bühne hat Renzi begonnen, mit der Stentorstimme des Ausrufers Wunderkuren anzupreisen. Er kündigt an, die radikalen Reformen, zu denen es dreißig Jahre lang nicht kam, übermorgen am frühen Nachmittag zu liefern. Dank einer magischen Arithmetik, für die er die persönliche und exklusive Kompetenz hat, führt er auf leuchtenden Tafeln Summen und Multiplikationen von Gehältern und Arbeiten vor, die am kommenden dritten Donnerstag des Monats beginnen würden. In einer Woche wird er das Geld verteilen, das er heute nicht in der Tasche hat. Rauschender Erfolg. Nichts Neues in Italien. Da capo. Der Ausrufer und der Schauspieler sind enge Verwandte.