Meister der (eingleisigen) Kommunikation

Es scheint wie der Beginn eines drittklassigen Witzes: Was haben ein Komiker und ein Fernseh-Unternehmer gemein, wenn sie in die Politik „einsteigen“? Schaut man auf die Gesichter von Beppe Grillo und Silvio Berlusconi, wäre man versucht zu antworten „Nichts“. Denn der eine verfügt über Haare im Überfluss und einen borstigen Vollbart, während sich der andere die wenigen Haare, die er auf dem Kopf trägt, mühsam einpflanzen ließ und im Übrigen dafür bekannt ist, seinen Leuten das Tragen von Bärten zu verbieten. Aber es ist nicht das Aussehen, welches uns hier interessiert.

In der Politik kamen beide erst an, nachdem sie eine Lehrzeit durchgemacht hatten. Silvio absolvierte sein Training auf Kreuzfahrt-Schiffen. Während er dort in den Bars bei Klavierbegleitung sang, lernte er erfolgreich zu kommunizieren. Als Unternehmer nutzte er seine Nähe zu Politikern (Craxi), um sich eine Vormachtstellung auf dem TV-Markt zu sichern. Schließlich betrat er selbst die politische Arena, indem er eine Bewegung – bloß keine Partei! – nach seinem Bilde schuf, die Forza Italia.

Auch Beppe Grillo verdankt seinen Erfolg dem Fernsehen: Sein Debüt in den 70er Jahren zeigte komische Verve ohne Politikbezug: Eine Serie von Werbespots für eine Yoghurt-Sorte verschafft ihm nicht nur ein gutes Einkommen, sondern auch einen Goldenen Löwen in Cannes. Paradoxerweise war Craxi auch für Grillos Karriere wichtig. Nachdem Grillo 1986 in einer Sendung der RAI einen Witz gegen Craxis PSI vom Stapel gelassen hatte („Wenn die Chinesen alle Sozialisten sind, wen bestehlen sie dann?“), wurde er aus dem Fernsehen verbannt. Was ihm in jeder Hinsicht Glück brachte. Denn er begriff, dass ihm das Publikum auch ohne Fernsehen weiter bei seinen Auftritten folgte, die eine Mischung von Schauspiel und Volksversammlung waren. Und dabei auch Thesen und Visionen goutierte, die sich dem Mainstream widersetzten (von der Kampagne gegen den Feinstaub oder fürs Auto mit Wasserstoffantrieb bis zur Unterstützung des Krebsheilers Prof. Di Bella, der sich später als Flop erwies). Seine Schauspiele, Bücher, T-Shirts, CDs machten aus Grillo nicht nur einen höchst populären Komiker, sondern auch wohlhabend.

Weder Silvio noch Beppe kann man absprechen, dass sie Virtuosen der Kommunikation sind, die die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen und fesseln können, um ihre Produkte an den Mann und die Frau zu bringen. Beide ziehen den Monolog der Debatte vor, vermeiden Talkshows und „langweilige“ Konfrontationen mit politischen Gegnern Ihr direkter Gesprächspartner ist immer das unbestimmte „Volk“, an das sie sich ohne Vermittlung wenden und dessen volle und bedingungslose Unterstützung sie fordern.

Gemeinsam ist dem Kreuzschiff-Sänger und dem Komiker der Hass auf ihre Gegner und auf das gesamte politische System. Beide definieren sich als politisierte Bürger, die sich nur widerstrebend gezwungen sahen, gegen die Parteienherrschaft in den Ring zu steigen. Um ihr offensichtliches Anderssein zu zeigen, wollen sie nichts von Parteien hören, sondern nur vom Volk und von Bewegungen. Beide bestehen darauf, dass es Ideen und nicht Ideologien sind, die sie motivieren. Nur dass sich B. als Bollwerk gegen die kommunistische Gefahr darstellt, während Grillo behauptet, dass es Rechts und Links nicht mehr gibt.

Da sie unduldsam gegen jede Art von Kritik sind, haben sich beide beeilt, diejenigen zu exkommunizieren, die in ihrer jeweiligen Bewegung Einwände erhoben. Wenn Gianfranco Fini das bekannteste Opfer des autokratischen Demokratie-Konzepts von B. ist, so ist es für die grillozentrische Kultur ein gewisser Tavolazzi, der für die 5-Sterne-Bewegung in den Gemeinderat von Ferrara gewählt wurde. Sowohl Grillo als auch B. sind allergisch gegen alle Beteiligungsorgane, die politische Parteien charakterisieren, und belassen die Kontrolle der Bewegung lieber in den Händen einiger Eingeweihter. Man weiß, dass B. viele Führungskräfte seiner Unternehmen Fininvest und Publitalia in die Forza Italia und später in die PdL einschleuste. Sie waren seine Angestellten und blieben dies auch in der Politik. Grillo platzierte im Herzen seiner politischen Kampagne eine Agentur für Kommunikation, die Casaleggio Associati, die früher sein Image als Komiker und jetzt seine Image als Politiker pflegt. Dieser Agentur verdankt Grillo einige seiner wirksamsten Werbe-Instrumente, vom Blog – einem der meist gelesenen in der Welt – bis zum V-Day („Vaffanculo-Day“, frei übersetzt „Leck-mich-am-Arsch-Tag“), von der Kampagne gegen die italienische Telekom bis zum „Movimento 5 Stelle“. Und nicht wenige Stimmen meinen, dass sich die Casaleggio Associati nicht darauf beschränkt, die Inhalte von Grillo zu verbreiten, sondern diese für eigene Zwecke mitzugestalten.

Natürlich hat der Interessenkonflikt, in dem sich der Unternehmer-Politiker Berlusconi bewegt, eine unvergleichlich andere Größenordnung als beim Tandem Grillo/Casaleggio. Aber wenn es wahr sein sollte, dass Grillo jahrelang eine Kampagne gegen die „Anmaßung“ der internationalen Großbanken betrieb und diese dann abbrach, als eine der bekämpften Banken, die J. P. Morgan, Teilhaber der Casaleggio Associati wurde, könnte man sich schon Sorgen machen. Mit dem gleichen Recht könnte man sich fragen, ob Grillos Kampagne gegen die italienische Telekom nicht ihre Ursache in den beruflichen Erfahrungen hat, welche die Gründer der Casaleggio Associati zuvor in der Webegg S. p. A. machten, in der sie ihren Job verloren, als diese von der italienischen Telekom übernommen wurde.

Einen Unterschied gibt es jedoch: Während es B. immer anderen – Abgeordneten, Advokaten oder Abgeordneten-Advokaten – überlässt, auf den Vorwurf des Interessenkonflikts zu antworten, reagiert Grillo persönlich und mit einem einzigen Wort: „Vaff…“ („Leck mich…“).

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