Italiens arme Reiche

In Italien gibt es (laut der Zeitung „Sole 24 Ore“ vom 10. 12. dieses Jahres) 2012 Menschen, die privat ein Flugzeug oder einen Hubschrauber besitzen. Ökologische Bedenken? Können nur aus dem moralinsauren Deutschland kommen! Geben wir doch einfach zu, dass wir aus blassem Neid meckern. Und dass sich nur ein Glückskind so etwas leisten kann.

„Sole 24 Ore“ weiß auch, über welches Einkommen diese Glückskinder verfügen. Viele von ihnen überraschend wenig: Von den 2012 haben 518, also 25 %, ein deklariertes Einkommen von unter brutto 20 000 € im Jahr, bzw. unter 1670 € im Monat. Also kaum genug zum Beißen, und trotzdem ein Hubschrauber oder Privatflugzeug! Und dann fallen ja auch noch Nebenkosten für Flugbenzin, Versicherungen, Start- und Landegebühren usw. an. Da kommen einem die Tränen: Was für liebenswerte Idealisten müssen das sein! Wahrscheinlich brauchten sie Jahrzehnte, um sich einen Kindertraum zusammenzusparen, und jetzt gehen sie in Lumpen, um diesen Traum festhalten zu können. Und übernachten im Hubschrauber, um überhaupt über die Runden zu kommen.

Die Sache geht weiter. „Sole 24 Ore“ fand heraus, wie viele Jachtbesitzer es in Italien gibt. Wobei mit „Jachten“ keine armseligen Motorboote oder Minisegler gemeint sind, sondern die über 10 Meter langen Boote der mittleren und oberen Preisklasse. Dafür gibt es ziemlich genau 100 000 Besitzer. Na ja, könnte man meinen, Italien mit seinen langen Küsten ist eben eine Seefahrernation. Aber bevor sich erneut der Neid regen kann, wird schon wieder ans Mitleid appelliert. Denn 42 000 dieser 100 000 Jachtbesitzer verdienen ebenfalls höchstens 1670 € im Monat. Da es auch hier beträchtliche Nebenkosten gibt, muss fast jeder zweite von ihnen ein ziemlich armes Schwein sein, dankbar für jeden 5 €-Schein, den ihm ein deutscher Tourist zusteckt. Wahrscheinlich müssen sich die Jachtbesitzer in den italienischen Häfen um die Essensreste prügeln, die auf den Wochenmärkten übrig bleiben. Ich habe sie dort zwar noch nicht gesehen, aber von irgendetwas müssen sie ja leben.

Nehmen wir schließlich noch hochzylindrige Luxus-Autos. Hier wird die Armut zum Massenphänomen. Die Journalisten von „Sole 24 Ore“ griffen sich penibel die Autos heraus, die mindestens 185 KW unter der Haube haben und im Durchschnitt 100 000 € kosten. Hier gibt es fast 600 000 Besitzer, und auch von ihnen verdienen 188 000 oder 31 % höchstens 1760 € monatlich. Seitdem sehe ich die Welt mit anderen Augen. Wenn ich auf in Italien auf einen Lamborghini, einen Ferrari oder einfach nur auf einen Luxuskreuzer von Mercedes stoße, dann weiß ich, dass bei jedem Dritten von ihnen das nackte Elend mitfährt.

Nichts ist, was es scheint. Der Ferrari, die Luxusjacht, das Privatflugzeug scheinen Symbole des Reichtums. Aber in Italien leidet jeder dritte ihrer Besitzer an Entbehrung. 1760 € monatlich bilden die magische Grenze, über die erstaunlich viele nicht hinauskommen.

Abschließend drei Bemerkungen:

1) „Sole 24 Ore“ hat die Zahlen aus italienischen Statistiken über Steuer- und Einkommenserklärungen herausgefiltert.
2) Istat, das italienische Amt für Statistik schätzt, dass jährlich 275 Mrd. € an Einkommen und Vermögen dem Zugriff des italienischen Fiskus entzogen werden, was einem Steuerausfall von 120 Mrd. € entspricht.
3) In Italien gelten alle Steuerhinterzieher als „Furbi“, als ganz Schlaue. Es ist immer noch ein Kosewort (die zugehörige Geste ist das runtergezogene untere Augenlid). Für diese Schlauheit zahlen jetzt die kleinen Leute. Also vor allem diejenigen, die über keine Privatflugzeuge, Jachten und Luxusautos verfügen.

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