Das verschleuderte Bildungswesen

Je mehr B.s Zustimmungswerte in der italienischen Bevölkerung sinken, desto großzügiger werden seine Angebote an die Katholische Kirche. Bei der Ablehnung der Schwulenehe, beim Adoptionsrecht, bei der Bioethik und bei Patientenverfügungen folgt er schon längst der Linie des Vatikans. Aber damit nicht genug. Am 26. Februar erklärte er auf dem Kongress der „Cattolici riformisti“, einer vor fünf Jahren gegründeten PdL-nahen Vereinigung:

„Jeder hat das Recht, seine Kinder frei zu erziehen. Frei heißt, dass er nicht gezwungen wird, sie an eine staatliche Schule zu schicken, wo es Lehrer gibt, die den Schülern Grundsätze einhämmern, die im Widerspruch zu denen ihrer Familien stehen“.

Dass B. vor diesem Forum schon wieder die Fahne der „Familie“ hochhielt, mag erstaunen. Denn seine Vorliebe für minderjährige Gespielinnen, die schon seine letzte Ehe auseinander brachte, hat ihm gerade wieder ein neues Verfahren mit der weltlichen Justiz eingebracht. Trotzdem ist es die Aussage wert, genauer betrachtet zu werden. Denn sie zeigt, wie autoritär die „Freiheit“ ist, auf die sich B. beruft. Die Forderung, dass bei der Erziehung der Kinder der „Elternwillen“ zu berücksichtigen sei, ist nicht B.s Erfindung. Aber seine hier erkennbar werdende Vorstellung von Pädagogik ist reaktionär. Die Kinder sollen nicht zur Mündigkeit erzogen werden, sondern sind Objekte des „Einhämmerns“. Zu klären bleibt nur, wer den Hammer führt. Für B. ist die Erziehung „frei“, wenn es allein die Eltern sind.

Aber geht es ihm wirklich um den Elternwillen? Wenn B. die staatlichen Schulen angreift, und zwar vor Vertretern des katholischen Klerus, ist klar, wer hier der eigentliche Adressat ist. Die Privatschulen in Italien sind überwiegend in katholischer Hand. Zwar besuchen immer noch runde 90 Prozent der italienischen Schülerinnen und Schüler staatliche Schulen. Aber die Konkurrenz ist da, und B., der ehemalige Schüler eines katholischen Internats, tut alles, um hier die Gewichte zu verschieben. Die staatlichen Schulen verkommen zu lassen ist dafür das wirksamste Mittel. Immer weniger Lehrer, immer größere Klassen, immer chaotischere Verhältnisse. Der Verfall ist mit Händen zu greifen. In vielen Schulen geht es schon an die Bausubstanz, bis zu den fehlenden Hausmeistern und dem Wasser, das in die Schulräume eindringt. Es soll Schulen geben, in denen die Eltern das Toilettenpapier bezahlen. Jetzt also die Behauptung, in den staatlichen Schulen würden den Kindern die falschen Grundsätze „eingehämmert“. Ist das die Ankündigung weiterer Mittelkürzungen?

Laut Art. 33 der italienischen Verfassung „richtet die Republik staatliche Schulen in allen Formen und auf allen Ebenen ein“. Der gleiche Artikel erkennt auch das Recht zur Gründung von Privatschulen an, aber der Zusatz „nicht auf Kosten des Staates“ stellt klar, dass die primäre Aufgabe des Staates beim staatlichen Bildungswesen liegt. B. kümmert das – wie die gesamte Verfassung – wenig. Wichtiger ist ihm, sein Punktekonto bei der katholischen Kirche aufzubessern. Hier ist für ihn in der letzten Zeit einiges ins Rutschen gekommen: seine Skandale mit minderjährigen Mädchen, seine Verleumdungskampagne gegen den (kritischen) Chefredakteur der katholischen Bischofszeitung. Umso mehr braucht er jetzt den Frieden mit der Kirche. Umso großzügiger sind seine Angebote – auch im Schulbereich.

Die Konturen des Deals, den B. vorschlägt, sind klar. Er ist bereit, das laizistische Erbe der Republik abzustoßen. Das Ausbooten des Konkurrenten Fini aus der Regierungskoalition ist auch dafür ein Trumpf, denn Fini machte hier den laizistischen Bremser. Was B. von der Kirche als Gegenleistung erwartet? Ein bisschen mehr Unterstützung. Auch B.s neue Verteidigungsstrategie in der Ruby-Affäre müsste dies erleichtern. B. gesteht, ein „Sünder“ zu sein, und „Sünder“ können bekanntlich zum Instrument des göttlichen Heilsplans werden, eher als Laizisten. Wird sich die Kirche da noch zieren können?

Leider gehört das öffentliche Schulwesen zum demokratischen Tafelsilber. B. ist bereit, es zu verschleudern. Aus durchsichtigen persönlichen Gründen.


Nachbemerkung der Redaktion:

Am 12. März findet in Italien ein von einem breiten Bündnis getragener Aktionstag zur Verteidigung der Verfassung statt. Einer der Schwerpunkte wird dabei die Schule sein.