Und wo bleibt die Kultur?

Die Folgen der Budgetkürzungen der italienischen Regierung

700 Millionen weniger – so lautete die Sparvorschrift im Finanzdekret 112, mit dem das italienische Parlament im Sommer 2008 die Kulturschaffenden des Landes schockierte. Denn es war das Kulturministerium, das 700 Millionen Euro, verteilt auf drei Jahre, einsparen sollte. Jetzt, anderthalb Jahre später, sind wir also bei der Halbzeit und die Folgen der Kürzungen sind im ganzen Land zu sehen. Den kulturellen Kahlschlag mildern können nur private Sponsoren. „Einige wichtige Kunstdenkmäler konnten nur restauriert werden, weil wir die Kosten übernommen haben“ sagt Giuseppe Guzzetti, Präsident der Bankenstiftung „Cariplo“. Seit Jahrzehnten finanziert die Stiftung Projekte zum Erhalt denkmalgeschützter Bauwerke in öffentlicher Hand, -Kirchen, Abteien, Palazzi-, aber so viele Anfragen wie im vergangenen Jahr hat es selten gegeben. Bei Giuseppe Guzzetti sorgt das für gemischte Gefühle. Einerseits sei es ein Beweis für die professionelle Arbeit der Stiftung, andererseits „ können und wir dürfen nicht in die Lücke springen, die der Staat mit seinen Kürzungen aufreißt. Wir sind deshalb sehr kritisch gegenüber den politischen Entscheidungen“.

Die entscheidende Frage bei Restaurierungsprojekten ist nach Meinung Guzzettis heute die Frage, wie man einen restaurierten Palast nutzen will. Die Stiftung „Cariplo“ finanziere inzwischen nur noch Projekte, die über das bloße Restaurieren hinaus gehen. „Und so“, sagt Guzzetti, „müsste es der Staat auch machen, statt sich einfach aus der Verantwortung zu stehlen.

Das kulturelle Erbe voll ausschöpfen- diese Forderung kommt auch aus universitären Kreisen. Denn mit Kultur lässt sich Geld verdienen, wenn man es richtig anstellt. Statt die Denkmalpflege als reinen Kostenfaktor zu sehen, lohne sich ein Blick auf ihr Potential, das bisher nicht genutzt werde, meint Marilena Vecco, Professorin für Kulturökonomie in Venedig. „Wir sind von einem überholten Konzept aus den 50er Jahren, als die Kultur etwas so Hochangesehenes und Elitäres war, das man keinerlei Kosten-Nutzen-Kalkulationen aufstellen durfte, geradewegs zu einem Konzept übergegangen, das die Kultur zwar zugänglicher macht, aber eigentlich nur mit Kosten gleichsetzt. Dabei wird vergessen, dass Investitionen in Kultur die Gesellschaft allgemein voranbringen“ sagt Vecco. Sie hat den Kulturbetrieb anderer Länder studiert und attestiert Italien eine fatale Rückständigkeit. Nicht nur, weil die staatlichen Investitionen in Kultur nur circa 0,3 Prozent des italienischen Bruttoinlandsproduktes betragen. Die Ökonomin beklagt auch das Fehlen einer gewissen Managermentalität im italienischen Kulturbetrieb. Doch es gibt auch positive Beispiele. Etwa das berühmte Piccolo Teatro in Mailand. „Unser Theater finanziert sich bereits zu 50 Prozent selbst, weil wir heute vieles effizienter machen als früher“ erklärt Direktor Sergio Escobar. Die Bühnenbilder werden nicht mehr in Auftrag gegeben, sondern selbst gemacht, die Schauspieler haben weniger Leerlauf zwischen Proben und Auftritten, die Stücke werden öfter wiederholt. Was den Theaterdirektor Sergio Escobar an den Budgetkürzungen für den Kulturbetrieb am meisten ärgert ist das unterschiedslose, pauschale Streichen ohne Rücksicht auf die Qualität des Angebots. „Unser Modell ist vorbildlich und verdient staatliche Förderung. Aber die Politik macht genau das Gegenteil. Sie tut nichts, um diejenigen zu belohnen, die klug wirtschaften.“

Ebenfalls kritisch äußerte sich Salvatore Settis. Der Kunsthistoriker von internationalem Rang und Direktor der staatlichen Eliteschule Ecole Normale in Pisa war Präsident des Obersten Denkmalrates in Italien. Die Regierung hat ihn inzwischen aus dem Amt gedrängt.

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