Savianos Rückkehr

„Heute, nach acht Jahren, bin ich wieder hier. Während ihr – Jovine, Zagaria, Schiavone, Bidognetti – im Gefängnis seid, geschasst aus einem Ort, der wiederauferstehen will“. Roberto Saviano, Journalist und Schriftsteller, richtet in seiner Heimatstadt Casal di Principe seine Worte symbolisch an die in Haft sitzenden Camorra-Bosse, deren kriminelle Machenschaften er in seinem weltberühmten Buch „Gomorra“ mit chirurgischer Präzision beschrieben hatte. Es waren nicht zuletzt die Enthüllungen dieses Buchs, die es Polizei und Justizbehörden ermöglichten, in einem spektakulären Prozess und in den folgenden Verfahren nach und nach alle Bosse, die in Casal di Principe ihr Hauptquartier hatten, zu verhaften.

Für Saviano kam es einem Todesurteil gleich. Um sich seiner Vollstreckung zu entziehen, musste er Italien verlassen. Auch heute noch lebt er unter permanentem Personenschutz und wechselt ständig seinen Aufenthaltsort. Die Männer seiner Eskorte sind ihm inzwischen vertrauter als seine eigene Familie, erzählt er.

Neuer Wind aus dem „Gomorra-Land“ …

Saviano bei der Ausstellung in Casale

Saviano bei der Ausstellung in Casale

Nun kehrte er in die einstige „Gomorra-Hauptstadt“ zurück. Bürgermeister Renato Natale – selbst Zielscheibe der Mafiosi – und viele Jugendliche, die Saviano „Botschafter der Legalität“ nennt, empfingen und feierten ihn zur Eröffnung einer besonderen Kunstausstellung, die ausgerechnet in der konfiszierten Villa eines verhafteten Bosses (Spitzname „Brutus“) stattfindet. Wertvolle Gemälde aus den Uffizien und anderen Museen sind jetzt in der ehemaligen Mafioso-Residenz zu bewundern. Mit Saviano als Ehrengast. Auch Kulturminister Dario Franceschini (PD) war aus Rom angereist, um den Schriftsteller bei der Eröffnung in seiner Heimatstadt willkommen zu heißen.

Doch nicht alle sind begeistert. Die Camorra-Anhänger natürlich nicht, die in Casale und Umgebung noch reichlich vorhanden sind, auch wenn sie nicht mehr so lautstark und arrogant auftreten wir vor einigen Jahren. Auch der umstrittene Anwärter auf das Amt des Regionspräsidenten Vincenzo De Luca (PD) nicht, der vor kurzem knapp die Stichwahl gegen den Kandidaten von Forza Italia gewann. De Luca wurde im Januar 2015 in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. Und auf seiner Liste kandidierten etliche Leute aus dem rechten bzw. neofaschistischen Lager oder mit Ermittlungsverfahren wegen Verbindungen zur Mafia. Dennoch hatte Renzi (zumindest öffentlich) keine Bedenken, ihm seinen Segen zu erteilen und demonstrativ den Rücken zu stärken.

… gefällt nicht jedem

Durch diese schützende Hand von oben ermuntert hatte De Luca bereits während des Wahlkampfes Saviano, der – mit gutem Grund – seine Kandidatur kritisierte, frontal angegriffen. „Der erfindet die Camorra auch dort, wo sie nicht ist, denn ansonsten wird er arbeitslos“, spottete er. Was in einer Gegend, die von der organisierten Kriminalität jahrzehntelang beherrscht und – im wahrsten Sinne des Wortes – verseucht wurde, geradezu zynisch ist. Jetzt kommentierte er Savianos Rückkehr mit der Bemerkung „Man kämpft nicht in den Fernsehstudios gegen die Camorra, sondern durch die eigene Lebensführung“. Saviano hat sein Leben so geführt, dass er auf der Todesliste der Mafia steht. Und die weiß, warum. Statt dem Schriftsteller für seinen Einsatz zu danken, tituliert ihn De Luca als „TV-Salonlöwen“.

Zwei Seelen in der PD-Brust

Das sind die „zwei Seelen“ der PD in Kampanien (und nicht nur dort): Auf der einen Seite der Bürgermeister von Casal di Principe, dessen mutiger Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität dazu führte, dass dort „Legalität“ kein Schimpfwort mehr ist, sondern ein kostbares Gut, für dessen Schutz sich immer mehr (vor allem junge) Bürger mitverantwortlich fühlen. Und auf der anderer Seite ein De Luca, der – unabhängig von der noch endgültig zu klärenden juristischen Frage, ob er sich strafbar gemacht hat – nicht den moralischen Anstand besitzt, sich bis zu dieser Klärung von der politischen Arena fernzuhalten. Und zur Freude der Camorristi auch noch jemanden wie Saviano verächtlich zu machen versucht.

Schöne Aussichten, wenn so jemand auch noch Präsident der Region Kampanien werden soll. Was allerdings trotz seines Wahlsieges kein Selbstläufer ist. Denn aufgrund des sogenannten „Severino-Gesetzes“ müsste De Luca wegen seiner Verurteilung in erster Instanz gleich nach seiner Ernennung für die Dauer von 18 Monaten vom Amt suspendiert werden. Und zwar bizarrer Weise von demjenigen, der sich zuvor für seine Wahl stark gemacht hatte, d. h. von Ministerpräsident Renzi höchstpersönlich.

Saviano reagierte übrigens auf De Lucas erbärmliche Attacken souverän. Ohne diesen ausdrücklich zu erwähnen, sendete er an den Regierungschef folgende Botschaft: „Hoffentlich versteht Renzi, dass die PD zwar in Kampanien die Wahlen gewonnen, den Kampf zur Veränderung der Politik aber verloren hat. Doch es gibt durchaus Kräfte, die den richtigen Weg aufzeigen, für ganz Süditalien“. Dem hätte ich nichts hinzuzufügen. Außer meinen Zweifel, ob die Botschaft beim Adressaten ankommt.

Letzte Meldung

Inzwischen hat Renzi tatsächlich ein Dekret erlassen, mit dem De Luca vom Amt suspendiert wird. Da sich das neue Regionalparlament noch nicht konstituiert hat, konnte De Luca noch keinen Stellvertreter für die Zeit seiner Suspendierung nominieren. Es ist also unklar, wie es in Kampanien weitergeht. Die Opposition fordert Neuwahlen, De Luca hat gegen seine Suspendierung Einspruch eingelegt und vertritt die Auffassung, dass er trotz Dekrets einen Stellvertreter benennen darf, um die Wahrnehmung der Amtsgeschäfte zu gewährleisten.

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