Bersanis 8 Punkte

Alle reden von Verantwortung – jeder versteht darunter anderes. Bersani meint Reformen für Italien, die nach Lage der Dinge nur mit dem neu ins Parlament eingezogenen Grillo-Block zustande zu bringen sind. Grillo meint die „Reinheit“ seiner Bewegung, die jedes Bündnis mit irgendeiner Partei beflecken würde. Napolitano meint, dem Land bis zum Ende seiner Amtszeit im Mai eine Regierung hinterlassen zu müssen – möglichst mit den gewählten Parteien, notfalls auch mit einer vom ihm eingesetzten „Präsidenten-Regierung“. Die allerdings von einer parlamentarischen Mehrheit gestützt werden müsste.

Die Situation

Auch Berlusconi spricht von der „Verantwortung für Italien“, aber jeder weiß, was das bedeutet: Alarmstufe 1, er will sich vor seinen Prozessen retten. Das Berufungsurteil im Fall Mediaset steht noch im März an (erste Instanz: 4 Jahre Gefängnis), ebenso das Urteil im Ruby-Prozess (möglicherweise 6 Jahre). Soeben kamen ein weiteres Jahr für B. und 2 Jahre und 3 Monate für seinen Bruder hinzu (Abhöraffäre zu Lasten eines PD-Politikers, erste Instanz). Ein ehemaliger Senator gestand, vor 7 Jahren von B. mit 3 Mio. € bestochen worden zu sein, um die Regierung Prodi zu stürzen (dürfte ebenfalls nicht ganz billig werden). Auch wenn nochmals 8 Millionen Italiener für B. stimmten und Napolitano zu jedem Teufelspakt bereit wäre: Wer jetzt noch mit B. koaliert, ist politisch tot.

Wenn die letzten Meinungsumfragen nicht völlig täuschen, wären auch Neuwahlen keine Lösung, nicht einmal bei verändertem Wahlgesetz. Obwohl Grillo von totalitären Träumen heimgesucht wird – er verkündete gerade, 100 % der Abgeordneten-Sitze in beiden Kammern übernehmen zu wollen -, dürfte sich an der gegenwärtigen Konstellation im Grundsatz nichts ändern: drei Blöcke, von denen keiner allein die Mehrheit bekommt.

Ein Versuch, aus der Sackgasse herauszukommen

Pier Luigi Bersani

Pier Luigi Bersani

Auf Vorschlag Bersanis hat nun die PD-Führung einen 8-Punkte-Plan verabschiedet, mit dem versucht werden soll, das Land aus der Sackgasse herauszuführen. Einen Plan, der kein Regierungsprogramm für eine ganze Legislaturperiode sein will, sondern ein Sofortprogramm für die nächsten Monate. Der in erster Linie auf den Grillo-Block zielt – weil es dafür erstens eine programmatische Schnittmenge gibt, und zweitens keine Alternative.

Hier die acht Programmpunkte:

  • Initiativen auf europäischer Ebene, um Schuldenabbau und Austerity mit Impulsen für Beschäftigungsförderung und Wirtschaftswachstum zu verbinden.
  • Sofortmaßnahmen im Bereich soziale Absicherung und Beschäftigung, insbesondere zur Unterstützung von Arbeitslosen und prekär Beschäftigten, zur Entlastung von Klein- und Mittelbetrieben und für ein sozial ausgewogenes Steuersystem.
  • Reform des politischen Systems und des öffentlichen Dienstes, u. a.: halbierte Zahl der Abgeordneten, neues Wahlgesetz, Abschaffung der Provinzen, verminderte Abgeordnetendiäten, veränderte Parteienfinanzierung.
  • Justiz: Antikorruptionsgesetz, Gesetze gegen Bilanzfälschung, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität.
  • Gesetz zu Interessenkonflikten und Verhinderung von Doppelmandaten.
  • Green Economy und nachhaltige Entwicklung, u. a.: Energiesparen, Abfallentsorgung, bauliche Sanierung und Umweltschutz.
  • Bürgerrechte, u. a.: Staatsangehörigkeit für in Italien geborenen Migrantenkinder, Gleichstellung homosexueller Partnerschaften („deutsches Modell“), Verhinderung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen.
  • Bildung und Forschung, u. a.: weniger Schulabbrecher, Sicherung des Rechts auf Ausbildung, Sanierung der Schulgebäude, weniger prekär Beschäftigte im Bildungsbereich, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs.

Der Plan wurde einstimmig (bei einer Enthaltung) vom obersten Führungsorgan der PD angenommen. Er muss zwei Hürden nehmen: Zunächst muss Bersani von Napolitano offiziell beauftragt werden, auf dieser Grundlage eine Regierungsbildung zu versuchen. Was nicht selbstverständlich ist, denn es kann durchaus sein, dass Napolitano dieses Vorgehen zu viele Unsicherheiten enthält (was allerdings auch eine Frage der Alternativen ist). Die zweite Hürde ist noch höher: Um mit der Umsetzung des Plans beginnen zu können, muss die Regierung in beiden Kammern die Vertrauensabstimmungen überstehen. Für den Fall, dass Bersani scheitert, wurde auf der PD-Sitzung auch noch ein Plan B angesprochen (aber nicht beschlossen): ein „überparteilicher“ Mittelinks-Kandidat für den Ministerpräsidenten.

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