Brief aus Italien (2)

Abgeordnetenkauf

Der letzte Brief aus Italien schilderte, wie B. auch seine Auslandsaufenthalte nutzt, um über seinen koalitionsinternen Kritiker Fini herzuziehen. Dies ist die Quittung dafür, dass Fini zu ihm inzwischen eine klare Trennungslinie zog, die ihn zu einem Konkurrenten um rechte Wählerstimmen macht, mit dem von nun „auf Augenhöhe“ zu verhandeln ist.

B. reagiert mit Hektik. Von einer weiteren Zusammenarbeit, wie sie Fini anbietet, will er eigentlich nichts wissen, womit aber leider auch der Verlust seiner Regierungsmehrheit verbunden wäre. Nachdem seine Hoffnung, alle Beteiligten mit der Drohung von Neuwahlen zur Ordnung zu rufen, gescheitert ist, besinnt er sich auf andere Ressourcen. Nun sollen Abgeordnete, die bisher rechtsaußen oder im Grenzbereich zwischen den beiden Blöcken operierten, mit lukrativen Angeboten ins eigene Lager gelockt werden. B. setzt auf ihre Habgier. Es ist in der Tat nicht wenig, was B.s Abgesandte zu bieten haben. Zunächst den Beitritt zu einer neuen Parlamentariergruppe, für die schon einmal der schöne Name „Gruppe der nationalen Verantwortung“ gefunden wurde (B ist ein Meister der Verpackung).  Sie soll die Fini-Gruppe ersetzen und das zukünftige „dritte Bein“ der regierenden Koalition bilden. Natürlich muss sich der Beitritt für die Überläufer auszahlen: bis Ende der Legislaturperiode Fortbezug der gegenwärtigen Abgeordneten-Diäten (die höchsten Europas) und sichere Listenplätze bei anschließenden Neuwahlen. B. legt noch einiges drauf. Ein Ministerposten, 2 stellvertretende Minister, 4 Unterstaatssekretäre und demnächst auch Posten in den Kommissionsvorständen, die neu zu besetzen sind. Hauptsache, man kommt auch ohne die Fini-Gruppe auf die magischen 316 Abgeordneten, welche die absolute Mehrheit garantieren. Es geht um Abgeordnetenkauf, das Geschacher um Geld und Posten ist munter. Das Schauspiel ist so verheerend, dass einige der Überläufer-Kandidaten sich zunehmend zieren, denn es beginnt sogar in Italien rufschädigend zu werden.

Ein Detail machte blitzartig deutlich, worum es in dem Schlachtgetümmel eigentlich geht. Es wurde bekannt, dass bei der größten Oppositionspartei, der PD, die Anfrage einging, ob sie nicht ein Gesetzesdekret mittragen könne, das B.s Befreiung von allen gegen ihn laufenden Verfahren garantiert. Im Gegenzug, so ließ man durchblicken, sei man bereit, das bestehende Wahlgesetz („La Porcata“) zu ändern. Ein Köder, der den Oppositionsparteien das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen musste, denn wollten sie nicht um jeden Preis gerade dieses Wahlgesetz loswerden? Andererseits hätte sich auch B. seiner größten Sorge entledigt, denn beschlösse eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit seine Straffreiheit, wäre dagegen, dies legt die italienische Verfassung fest, auch keine Volksabstimmung mehr möglich. Zum Leidwesen von B. lehnte die PD diesen Kuhhandel postwendend ab – es wäre ihr politischer Selbstmord gewesen (an dem sie ansonsten hart arbeitet, aber das ist ein anderes Thema). Die Episode zeigt, wo im Zweifelsfall B.s Prioritäten liegen.

Man könnte fast Mitleid mit ihm bekommen: Der arme Kerl will ja eigentlich nur sich, seine Familie und seine (geschätzten) 9 Milliarden retten. Dafür nimmt er ganz Italien in Haft.

Um Fini auszuschalten, greift B. auch zu dem Mittel der medialen Vernichtung. Wir berichten darüber im nächsten Brief aus Italien.

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