Die Damen in Weiß

„Die Demokratische Partei verpflichtet sich, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, welche der uneingeschränkten politischen Partizipation der Frauen im Weg stehen. Sie stellt auf allen Ebenen ihrer Führungs- und Exekutivorgane die Parität von Frauen und Männern sicher, anderenfalls werden sie durch die Kontrollorgane für aufgelöst erklärt. Sie setzt sich für die Geschlechterparität bei der Kandidatur für die Wahlversammlungen ein und verfolgt das Ziel der Parität auch bei der Besetzung institutioneller und interner Einzelpositionen …“ (Parteistatut der PD, Art. 1, Absatz 3).

Der erhoffte Durchbruch

Die Frauen hatten sich interfraktionell verabredet, diesmal im Parlament in Weiß zu erscheinen. Der 10. März sollte für sie ein Festtag werden, ein Durchbruch zu politischer Gleichberechtigung. In das neue Wahlgesetz, dessen Grundzüge Renzi mit Berlusconi ausgehandelt hatte, sollte die Vorschrift aufgenommen werden, dass die Kandidatenlisten der Parteien alternierend aus Männern und Frauen bestehen. Und dass außerdem die von den Parteien aufgestellten Spitzenkandidaten für die Wahlkreise zur Hälfte Frauen sind.

Auf dem Papier standen die Aussichten, beides durchzubringen, nicht schlecht. In der Abgeordnetenkammer hat die PD die absolute Mehrheit – und ihr Statut verpflichtet sie (siehe oben), sich für „die uneingeschränkte politischen Partizipation der Frauen“ einzusetzen. Eine Mehrheit, die allein schon gereicht hätte. Da Frauen aus anderen Parteien mitmachen wollten, konnte man sogar auf komfortable Mehrheiten hoffen.

Berlusconi ist dagegen

Die Sache hatte allerdings zwei Haken. Der erste: Die Geschlechter-Parität gehört nicht zur Verabredung Renzis mit Berlusconi. Nicht, weil Renzi sie vergaß, sondern weil Berlusconi dagegen ist. Er will bei der Aufstellung „seiner“ Kandidatenliste freie Hand haben, denn damit hält er seine Abgeordneten am Zügel. Renzi ließ sich darauf ein – und steht seitdem in der Pflicht, die Verabredung auch gegen die eigene Partei zu verteidigen. Berlusconi und seine Wasserträger brauchten allen Änderungswünschen nur noch ein lapidares „Pacta sunt servanda“ entgegenzuhalten.

Auf einige andere Kröten, die Renzi damit seiner Partei und der italienischen Demokratie zu schlucken gibt, haben wir schon hingewiesen: unverhältnismäßig hohe Hürden für kleinere Parteien; Vorrecht der Parteizentralen auf die Kandidatenauswahl. Und nun auch noch die fehlende Geschlechterparität, die Renzi in Konflikt mit den PD-Frauen, mit dem Parteistatut und Hunderten von Partei-Deklarationen bringt. Er versuchte gar nicht erst, an ihre Fraktionsdisziplin zu appellieren. Aber es gab da noch einen zweiten Haken: Forza Italia hatte geheime Abstimmung beantragt, sie kennt „ihre“ PD.

Die Abstimmung und ihre Folgen

Noch voller Optimismus ...

Noch voller Optimismus …

Man kann sich die Stimmung der weiblichen Protagonisten am 10. März vorstellen: eine Mischung von Spannung und Erwartungsfreude. Aus verschiedenen Fraktionen leuchtete es: Einige Frauen hatten sich ein weißes Kleid, einen weißen Rock, eine weiße Bluse angezogen, andere sich zumindest einen weißen Schal umgelegt. Die geheime Abstimmung begann, das erste Ergebnis flimmerte über die Anzeigentafel: Für die Alternanz sind 227, 335 dagegen. Dann die Geschlechterparität bei den Spitzenkandidaten: 214 dafür, 344 dagegen. Wozu es noch eine „mildere“ Variante gab: Wenigstens 40 % der Spitzenkandidaten sollen Frauen sein. Dafür immerhin 253, aber 298 dagegen. Also alles abgelehnt. Es war ein Schock. Berlusconi hatte gewonnen, die Parität auf ganzer Linie verloren.

Wer nach Schuldigen suchte, wurde schnell fündig. Von Forza Italia und den Grillini war nichts zu erwarten. Aber die PD hat in dieser Kammer eine absolute Mehrheit von 293 Abgeordneten. Es musste also in der PD einen Block von etwa 60 bis 70 Leuten geben (beim letzten Antrag von 40 Leuten), der alles zu Fall brachte. Ohne Ankündigung, im Schutz der geheimen Abstimmung. Aber wer? Waren es, wie einige Frauen meinten, „die Männer“, die um ihre Dominanz fürchten und sich auch in der PD verstecken? Waren es Renzi-Anhänger, die den mit Berlusconi geschlossenen Pakt auf keinen Fall gefährden wollen? Immerhin zeigte sich Renzi hinterher erleichtert. Aber prompt kam aus dem Kreis der „Renziani“ der Gegenverdacht: Es war die Fraktions-Linke, die dagegen stimmte, um hinterher zu sagen: Es waren die „Renziani“. Im Labyrinth des Misstrauens wird um die Ecke gedacht.

Prima Klima in der PD

Jemand glaubt, die Zeiten, in denen 100 PD-Abgeordnete im Schutz einer geheimen Wahl alle parteiinternen Verabredungen (bei der Prodi-Nichtwahl) auf den Kopf stellten, seien vorbei? Er hat sich getäuscht. Die Heckenschützen-Mentalität blüht und gedeiht. Und findet immer wieder neue Nahrung, denn nun haben die „Linken“ und die „Frauen“ einen Grund, um es irgendwann den „Renziani“ heimzuzahlen, was wiederum letztere ermuntert, usw. usw. Dass es ohne Ankündigung und im Schutz geheimer Abstimmungen geschieht, ist legitim. „Die Anderen“ tun es ja auch …

Zwei Tage später, am 12. März, gab es in der Abgeordneten-Kammer die Endabstimmung über das neue Wahlgesetz. Die „Renziani“ fürchteten, dass sich Linke und Frauen „rächen“ könnten. Aber diese übten zähneknirschende Disziplin. Das neue Gesetz wurde mit 365 gegen 156 Stimmen bei 40 Enthaltungen angenommen. Nun muss es noch durch den Senat.

Renzi triumphiert. Und gießt bei der Gelegenheit neues Öl ins Feuer: Es habe da „welche gegeben, die sich für ihre Niederlage bei meiner Wahl zum Generalsekretär rächen“ wollten. Wobei er einen Teil der Vorgeschichte ausließ. Ranküne gegen Ranküne. Er ist jung und dynamisch. Aber ein moralischer Erneuerer ist Renzi nicht.