Brechreiz

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Es stimmt zwar, dass wir mit der Zeit Gefahr laufen, uns an alle italienischen Schandtaten zu gewöhnen, aber eine Nachricht, die am 19. November in den italienischen Zeitungen stand, scheint uns nun doch die Grenzen perverser Phantasien zu überschreiten. Sie verursacht schlicht Brechreiz.

Die Nachricht lautet, dass in Coccaglio, einer Gemeinde in der Nähe von Brescia, das herrschende Mitterechts-Bündnis am 25. Oktober die Kampagne „White Christmas“ gestartet hat. Dabei handelt es sich weder um eine Initiative, mit festlicher Strassenbeleuchtung das Zentrum zu verschönern, noch um einen Wettbewerb mit Weihnachtsliedern oder um eine Ausschreibung um die schönste Krippe in dem 7000- Einwohner-Städtchen. Die von dem Bürgermeister der Lega Nord ausgedachte „Weiße Weihnacht“ würde sicherlich vermummte Herren vom Ku Klux Klan begeistern und hätte Gestapo-Offiziere zu Tränen gerührt. Die „Operation White Christmas“ besteht darin, „in den Wohnungen von Ausländern, die nicht aus dem EU-Raum stammen und deren Aufenthaltserlaubnis ausläuft, zwei Monate lang flächendeckende Kontrollen durchzuführen,“ (so die Tageszeitung „La Repubblica“), und zwar mit dem Ziel, diejenigen, die keinen gültigen Aufenthaltsstatus haben, aufzuspüren und abzuschieben. Der Journalist Sandro de Riccardis schreibt in der „La Repubblica“:

„Die Gemeindepolizei geht also von Haus zu Haus und klingelt bei ca. 400 Ausländern. Also bei denjenigen, deren Aufenthaltserlaubnis demnächst ausläuft und die schon einen Antrag auf Verlängerung hätten stellen müssen. „Wenn sie das nicht nachweisen können – sagt der Bürgermeister Franco Claretti – wird ihre Aufenthaltserlaubnis Amts wegen außer Kraft gesetzt.“ Die Idee einer solchen „Weihnachtskampagne“ entstand, nachdem (in Italien) eine Sicherheitsverordnung verabschiedet wurde, die den Bürgermeistern größere Vollmachten verleiht und sie befugt, ihre Beamten mit der Überprüfung der Daten von Ausländern im Einwohnermeldeamt zu beauftragen. In dem Städtchen ist die Anzahl der Immigranten aus Drittländern (also von „Extracomunitari“) von 177 im Jahr 1998 auf 1562 im Jahr 2008 angewachsen, d.h. auf mehr als einem Fünftel der Bevölkerung. Es handelt sich hauptsächlich um Marokkaner, Albaner und Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien. „Bei uns gibt es keine Kriminalität – stellt Claretti klar – wir wollen nur mit der Säuberung anfangen“.

Mit der „ethnischen Säuberung“, wäre zu ergänzen.
Verursacht schon die Idee als solche Ekel, so wird sie zynisch, beleidigend, mystifizierend, wenn sie mit Weihnachten in Verbindung gebracht wird. Mit einem Weihnachten, das natürlich „weiß“ ist, also den Gedanken an fallenden Schnee und die vor dem lodernden Kamin vereinte Familie erweckt (natürlich eine italienische Familie mit Gütesiegel). Oder um vielleicht auch auszuschließen, was im weiteren Sinne nicht „weiß“ ist.

Der Gemeindepfarrer hat seine Stimme dagegen erhoben, eine Gruppe von Abgeordneten der oppositionellen PD hat beim Innenminister Protest eingelegt, die Blogger-Welt hat diese hässliche italienische Geschichte mit Ekel kommentiert und die Stiftung „Fare futuro“ („Zukunft bauen“), die Parlamentspräsident Gianfranco Fini nahe steht, hat von einer „überflüssigen und primitiven Instrumentalisierung“ gesprochen.

Nur Roberto Maroni, Pseudo-Innenmister, hat öffentlich nichts verlauten lassen. Logisch: er gehört zur gleichen Truppe. Bürgermeister Claretti hat sogar klipp und klar mitgeteilt, dass dieser Mann, dem Berlusconi das Innenmisterium anvertraut hat, „uns gute Ratschläge erteilt hat, wie man die Initiative umsetzen könnte, ohne in die üblichen juristischen Fallstricke zu geraten.“

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