Die Implosion der 5 Sterne

Das Eis, auf dem sich das in diesem Sommer geschlossene neue Bündnis bewegt, war von Anfang an dünn. Jetzt scheint es zu brechen – wenn in den vier Parteien, aus denen es (mittlerweile) besteht, nicht noch ein Wunder geschieht. Wofür wenig spricht.

Die umbrische Wahl am vergangenen Sonntag war mehr als eine Regionalwahl:
• Sie war der erste Test für die Akzeptanz dieses Bündnisses durch ein Wahlvolk, von dem nur noch eingefleischte Optimisten glauben, dass es immer noch etwa hälftig zwischen Rechts und Links gespalten sei.
• Dahinter stand auch die Absicht, das Bündnis von dem Makel einer Koalition der Verlierer zu befreien, die sich nur aus Angst vor Neuwahlen und Salvini bildete (der das Bündnis als „feige Sesselkleber“ verhöhnt).
• Der Test fand in einer Region statt, der seit den gloriosen KPI-Zeiten zum „roten Gürtel“ Italiens gehört. Mit Perugia als Hauptstadt und Assisi als spirituellem Zentrum, der Stadt des heiligen (und „linken“) Franziskus.

Der Test ist mit einer Eindeutigkeit gescheitert, die selbst die Sieger überrascht: Die Rechte bekam 57,5%, das Regierungsbündnis 37,5%. Die Wahl zum Regionalparlament fiel ähnlich aus: Die Lega bekam 37%, die PD nur 22%, und auch bei den „Kleineren“ gab es einen Schub nach rechts: Berlusconis FI bekam 5%, die ultrarechte FdI 10%. Am brisantesten: Die 5SB sackte auf 7% ab, nach 21% bei der Regionalwahl 2014 und 25%, die sie in Umbrien bei den nationalen Wahlen vor anderthalb Jahren, und den 14%, die sie noch bei den diesjährigen Europawahlen in Umbrien bekam, als der Abstieg begonnen hatte.

Ursachen

Die Wahlanalysten weisen mit Recht darauf hin, dass der Sieg der Rechten in Umbrien nicht nur als Antwort auf das neue Bündnis zu deuten ist, das PD und 5SB im Sommer eingingen. Ihr Siegeszug begann früher, bei den Europa- und vier Regionalwahlen, die 2019 stattfanden (Piemont, Basilikata, Sardinien und Abruzzen). Auch in Umbrien hat die Rechte längst Fuß gefasst: In den Großstädten Perugia und Terni stellt sie die Bürgermeister, und Experten errechneten, dass schon vor der Regionalwahl zwei Drittel der umbrischen Bürger vom Lega-FI-Block regiert wurden. Der Wahlausgang zeigt nur, dass auch das neue Bündnis in Rom den Durchmarsch der Rechten nicht aufhalten konnte.

Man könnte versuchen, die politische Bedeutung des Wahlausgangs als lokale Besonderheit zu relativieren: Im Frühjahr 2019 kam es zu einem Skandal in der Verwaltung des umbrischen Gesundheitswesens, in den die regionale PD-Führung verwickelt war und der zum Rücktritt der Regionalpräsidentin Marini führte: Um „Freunde“ mit Posten zu versorgen, wurden Ausschreibungen im Gesundheitswesen manipuliert (das Verfahren läuft noch). Ein typisches Delikt bei jahrzehntelanger Einparteienherrschaft, die die Entstehung solcher „Seilschaften“ begünstigt.

Hauptverlierer 5SB

Die Erinnerung an diesen Skandal trug sicherlich dazu bei, dass das umbrische Wahlergebnis so eindeutig ausfiel. Aber paradoxerweise schadete es eher der 5SB als der PD: Während sich die PD, die eigentlich die alleinige Verantwortung für den Skandal trug, auf niedrigem Niveau in etwa halten konnte, halbierte sich nochmals der Stimmanteil der 5SB seit der Europawahl. Hier scheint sich der moralische Rigorismus zu rächen, mit dem die 5SB noch im Frühjahr lautstark die Aufklärung des Ausschreibungsskandals gefordert hatte und dies mit einem Generalangriff gegen die gesamte „Kaste“ verband, die für sie auch die PD verkörperte. Ein halbes Jahr später, als die 5SB um ihr politisches Überleben kämpft, wirbt sie plötzlich Arm in Arm mit der gleichen PD um das Vertrauen der Wählerschaft für eine gemeinsame Regionalregierung.

Beide Seiten spürten wohl, dass sie bei diesem Bündnis nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen durften und z. B. bei der Auswahl ihres gemeinsamen Spitzenkandidaten einen „Unabhängigen“ brauchten – vor allem die PD sieht seit ihrer Wahlniederlage von 2018 in der Einbeziehung solcher „Unabhängiger“ das Zaubermittel, um die eigene Wählerbasis zu erweitern. Aber darin steckt auch die Gefahr, profillos zu werden. Der umbrische Kandidat war ein Luxusketten-Hotelier, der bei letzten Wahl noch die Rechte unterstützt hatte. Ein Kompromisskandidat für alle Fälle, aber kein Symbol des „Neuaufbruchs“.

Tanz ums gemeinsame Foto

Der Kandidat ist der in der Mitte

Der Kandidat ist der in der Mitte

Symptomatisch ist die Geschichte des (beigefügten) Fotos, das kurz vor der Wahl, als die Prognosen schon nichts Gutes ahnen ließen, in einer Art medialer Flucht nach vorn an die Öffentlichkeit gebracht werden sollte: Seht, alle Generalsekretäre des römischen Vierer-Bündnisses stehen hinter dem Hotelier. Aber Renzi erschien erst gar nicht zum Fototermin, und Di Maio erst nach langem Zögern. Sollte er sich wirklich Seite an Seite mit Zingaretti zeigen? Der Zweifel war so groß, dass das Foto erst einmal tagelang auf Eis gelegt wurde.

Als es dann doch herauskam, bestätigte seine Wirkung alle Befürchtungen. Denn nun hatte Salvini ein weiteres Wahlkampfthema: Erst sind sie wie Hund und Katze, dann ein Herz und eine Seele. Da seht ihr’s, wie glaubwürdig die 5SB ist! Und tatsächlich war es vor allem die 5SB, die einbrach (die Wahlforscher fanden danach heraus, dass die verloren Hälfte ihrer Wähler vor allem zu Salvini übergelaufen war). Die 5SB blieb also auch hier, was sie schon im Bündnis mit der Lega gewesen war: der Durchlauferhitzer der „zornigen“ Mittelschichten für den Weg von links nach rechts. (Im Schach nennt man es „Zugzwang“, wenn jeder Zug, der einem möglich ist, nur noch die eigene Niederlage beschleunigen kann.)

Düsterer Horizont

Seit der Umbrien-Wahl hat die Rechte Allmachtsphantasien. Salvini rüstet sich schon für die Regionalwahl, die im Januar in der bisher uneinnehmbaren Emilia-Romagna ansteht, der produktivsten und bevölkerungsreichsten Region Italiens, der Heimat von Prodi und Bersani. Nun meldet sich auch Giorgia Meloni, die Chefin der „postfaschistischen“ Fratelli d’Italia, die im Bündnis mit Salvini immer weiter gewachsen ist und jetzt in Umbrien über 10 % erreichte: Nun will auch sie ihr Stück vom Kuchen. Im nächsten Jahr stehen 8 Regionalwahlen an, eine davon in der Toscana, wo die Auswahl des Spitzenkandidaten, so Meloni, nun ihr zustehe. Das Fell des Bären wird im Voraus verteilt. Aber das ist nur Vorspiel. Salvini erklärt auf jedem Marktplatz: Das Ende des römischen Regierungsbündnisses ist nah.

In der 5SB herrscht Weltuntergangsstimmung. Di Maio, dessen Führungsrolle immer umstrittener wird, kämpft in wilder Panik sowohl ums politische Überleben der „Bewegung“ als auch der eigenen Person. Er erklärt, dass nach dem „Experiment“ mit Salvini nun auch das mit der PD gescheitert sei, zumindest auf regionaler Ebene, und also nicht wiederholbar sei. Die 5SB werde ihren weiteren Weg „allein“ gehen, ihr bleibe jetzt nur der „dritte Weg“ (von dem niemand weiß, wohin er führt). Das gegenwärtige Regierungsbündnis will er nicht aufkündigen, das verhindert schon der Widerstand, der dagegen aus den eigenen Fraktionen kommt. Aber für die weitere Regierungsarbeit bedeute es, vor allem „Eigenständigkeit“ zu zeigen – sie ist wichtiger als die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt. Den Anfang machte er beim Haushaltsentwurf für 2020, den er immer wieder in Frage stellte. Da bricht auch die alte von Grillo gezüchtete Bunkermentalität wieder durch: Der Schuldige sei die PD, deren „wahre Absicht“ es sei, „die 5SB in eine 2 %-Partei zu transformieren“.

Zingaretti versucht, die Form zu wahren und mahnt zur Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen – droht aber schon die Aufkündigung des „Bündnisses“ an, wenn es sich zu einem „unendlichen Grabenkampf zwischen Gegnern“ entwickeln sollte.

Nachtrag: Gerade erschien das Ergebnis einer neuen Umfrage, die eine Woche nach der Umbrien-Wahl erkundet, wie sich seitdem (und durch die Wahl selbst) das politische Klima Italiens verändert hat. Als sich im August das neue Regierungsbündnis zwischen der Linken und der 5SB etablierte, kam das Mitte-Links-Lager (zu dem auch die 5SB gezählt wird) in der Wählergunst auf 45,9%, das rechte Lager auf 46,3%. Heute lauten diese Zahlen: 43,9% zu 49,5%. Der Unterschied ist noch nicht groß, könnte man sagen. Aber als Verschiebung innerhalb von gut zwei Monaten ist es beachtlich. Wenn man bedenkt, in welch unterschiedlichem Zustand sich beide „Blöcke“ befinden, ist Sorge noch berechtigter.