Was denken Einwanderer über die Italiener?

Umfragen und Untersuchungen über die Einstellung der Italiener zu Zuwanderung und Migranten hat es in letzter Zeit einige gegeben. Aber umgekehrt konnte man bisher nichts darüber erfahren, was Einwanderer über Italien und die Italiener denken.

Um dieses Defizit zu beseitigen, hat jetzt die italienische Stiftung „Leone Moressa“ dazu 600 Migrantenfamilien befragt. Auch wenn die Ergebnisse, die im Sommer veröffentlicht wurden, nicht unbedingt repräsentativ sind, geben sie zumindest einen ersten Einblick in Einstellungen und Meinungen der in Italien lebenden Migranten.

Befragte fordern strengere Zuwanderungsregelungen

Die Frage, ob „die Italiener rassistisch sind“, beantworten 26 % mit ja, während 74 % (eine ganze Menge, wie ich finde) sie verneinen. Hier wäre es allerdings interessant zu erfahren, ob es regionale Unterschiede gibt: zum Beispiel zwischen den norditalienischen Regionen (in denen einerseits die xenophobe Lega Nord über breite Wählermehrheiten verfügt, andererseits – auch für Migranten – die Arbeits- und Lebensbedingungen besser sind als in den ärmeren Regionen Süditaliens) und dem Rest des Landes. Dass die Italiener arbeitsam sind, glauben 78 % der Befragten (allerdings meinen 90 %, Migranten seien noch fleißiger).

Bemerkenswert ist, dass eine deutliche Mehrheit der Auffassung ist, dass Ausländern die Einreise nach Italien zu leicht gemacht wird (65 %) und die Gesetze gegen kriminelle Einwanderer verschärft werden müssten (66 %). Bemerkenswert, aber nicht verwunderlich, denn hier spiegelt sich die Haltung derjenigen wieder, die „es geschafft haben“ und nun selbst – nicht anders als die „Einheimischen“ – ihre Stellung durch Neuankömmlinge bzw. „schwarze Schafe“ in den eigenen Reihen gefährdet sehen.

Politisch skeptisch, aber informiert

Sprachkurs in Rom für Migranten

Sprachkurs in Rom für Migranten

68 % der Befragten schätzen die eigenen Italienischkenntnisse als gut bzw. sehr gut ein. Zugleich meinen 45 %, dass die Einwanderer „sich gar nicht integrieren wollen“. Und was die politischen Einstellungen betrifft, so überrascht nicht, dass 41 % nicht zur Wahl gehen würden, auch wenn sie dazu die Möglichkeit hätten. Der Verdruss über unfähige und korrupte Politikern scheint unter Migranten mindestens genauso so groß wie unter Italienern zu sein. Von denjenigen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen würden, hätten in erster Linie linke Parteien (PD, SEL) einen Gewinn (30 %), Grillos 5-Sterne-Bewegung folgt mit 17 %. Für Berlusconis Forza Italia oder Nuovo Centro Destra würde sich nur 7 % entscheiden, für die militant fremdenfeindliche Lega Nord (immerhin!) fast 6 %.

Erwartungsgemäß große Übereinstimmung herrscht bei der Frage, ob der Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit erleichtert werden sollte: 82 % sind dafür.

Was ich überraschend finde, ist die gute „institutionelle“ Kompetenz der befragten Migranten. Ca. 60 % kannten prominente italienische Politiker (wobei Renzi mit 23 % am meisten Zustimmung fand, 15 % – oh weh! – gefiel Berlusconi besser, für 12 % war Grillo der Favorit). Über die Hälfte konnte den Namen des italienischen Staatspräsidenten und den des Ministerpräsidenten nennen. In einem Land, in dem Partizipation und gezielte Integrationspolitik erst seit ein paar Jahren auf der politischen Agenda stehen, nachdem sie jahrzehntelang kein Thema waren, ist das keine Selbstverständlichkeit. Über 50 % kannten sogar den Titel der unsäglichen italienischen Nationalhymne „Fratelli d‘ Italia“ („Mameli-Hymne“) – wobei das nun wirklich nicht nötig gewesen wäre …