Vatikan segnet Monti

Nun ist es amtlich: über sein Zentralorgan „Osservatore Romano“ und über die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz „Avvenire“ erteilte der Vatikan dem bisherigen Ministerpräsidenten und neuen Anführer der bürgerlichen Mitte, Mario Monti, seinen Segen. Und ging gleichzeitig auf Distanz zu B., dem – trotz seiner erotischen Eskapaden – lange wohlgelittenen Vorgänger.

Monti und Kardinal Bertone - Der Vatikan kann sich aus der italienischen Innenpolitik nicht heraushalten

Monti und Kardinal Bertone - Der Vatikan kann sich aus der italienischen Innenpolitik nicht heraushalten

Die Hinwendung des Vatikans zu Monti ist inzwischen einhellig. Die traditionell verfeindeten Fraktionen um Kardinal Staatssekretär Tarcisio Bertone und den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Bagnasco, haben sich auf ihn geeinigt. Bagnasco hatte zunächst auf Generalsekretär Alfano und somit auf eine von B. „gereinigte“ PdL gesetzt. Nachdem Alfano sich jedoch völlig zum Fußabtreter des Cavaliere degradieren ließ, war er auch für die Bischöfe kein Ansprechpartner mehr. Sie schwenkten um in Richtung Monti.

Der mächtige Kardinal Bertone hatte hingegen – nach der Abwendung von B. – von vornherein auf das richtige Pferd gesetzt und den katholischen Professor zum Hoffnungsträger gegen einen möglichen linken Ministerpräsidenten Bersani (PD) auserkoren.

Zeit zum Pferdewechsel

B. reagierte auf die Segnung Montis mit Wut. Fast drohend erinnerte er die Kirche an all die Wohltaten seiner Regierung zu ihren Gunsten: von der großzügigen finanziellen Förderung katholischer Privatschulen bis zum kirchenfrommen Verhalten gegenüber Patientenverfügungen, künstlicher Befruchtung und homosexuellen Partnerschaften. Wohltaten, deretwegen die Prälaten gegenüber B.s Bunga-Bunga-Partys und zweifelhaften Beziehungen zu minderjährigen Prostituierten beide Augen zudrückten.

Doch die Zeiten haben sich geändert, die katholische Kirche setzt nicht auf Verlierer. B.s plumpe Vorwürfe wurden mit Schweigen quittiert, die Vorzüge Montis dafür um so überschwänglicher hervorgehoben. Monti führe „die Politik zu ihrer höchsten und edelsten Funktion zurück, der Pflege des Gemeinwohls“ schwärmt der „Osservatore Romano“. Ebenso der Chefredakteur von „Avvenire“, Marco Tarquinio: „Wir schätzen … die Geradlinigkeit der Gedanken und des Verhaltens Mario Montis … und rufen alle auf, die genug Ideen, Demut und Verantwortung empfinden, … den ‚radikalen Zentristen‘ und gemäßigt reformerischen Monti zu unterstützen“.

Vatikans Einmischung hat Tradition

Äußerungen, die schon fast Wahlaufrufe für die „Monti-Liste“ sind und eine kaum verhüllte Einmischung des Vatikanstaates in die inneren Angelegenheiten Italiens. Sie haben eine lange Tradition. Schon zu Zeiten der Democrazia Cristiana übte die Kurie massiven Druck aus, um die Stimmen gläubiger Italiener von den linken Parteien, vor allem von der KPI, weg und zur DC hinzulenken. Nach dem Zusammenbruch der Ersten Republik und der DC wandte der Kirchenapparat seine Gunst der Rechten um B. und Casinis UDC zu. Immer wieder mischte sich der Vatikan in die italienische Politik ein, um unliebsame Gesetze zu verhindern, für kirchliche Einrichtungen Vorteile zu erreichen und sich z. B. im Bildungswesen mehr Einfluss zu sichern.

Das oberste Ziel der vatikanischen Politik in Italien war es bekanntlich schon immer, eine Regierungsübernahme durch die Linke zu verhindern. Sogar der katholisch-bürgerliche Prodi war der Kurie als Anführer einer Mittelinks-Koalition suspekt. Lieber ließ sie sich – wenn auch mit zugehaltener Nase – auf einen „instrumentellen Pakt“ (so Gad Lerner in der „Repubblica“) mit dem Antidemokraten B. ein.

Natürlich kann man es erfreulich finden, dass der Vatikan endlich seine Gunst dem skrupellosen Rechtspopulisten B. entzieht. Nicht erfreulich bleibt jedoch der unverhohlene Versuch einer Einflussnahme auf die politischen Geschicke Italiens – in die vom Vatikan bevorzugte Richtung. Und aus rechtlichen und institutionellen Gründen nicht zulässig, denn Italien ist nun mal laut Verfassung eine laizistische Republik und kein Gottesstaat. Zumal die Katholiken in Italien nicht nur einer einzigen Couleur angehören, sondern in allen politischen Lagern präsent sind. Auch im progressiven Lager, wo sie in vielen Bereichen zivilgesellschaftlichen Engagements eine treibende Kraft und kritische Instanz bilden, z. B. gegen Rassismus und organisierte Kriminalität, für sozialen Zusammenhalt und Toleranz jenseits religiöser, ethnischer und geschlechtlicher Zugehörigkeiten.

Nicht zuletzt aus Respekt gegenüber den vielen italienischen Bürgern katholischen Glaubens, die sich politisch Mittelinks zugehörig fühlen, sollte der Vatikan sich aus der italienischen Innenpolitik heraushalten. Mein Wort in Gottes Ohr …

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