Vendolas Kritik der Schwarzen Blocks


Vorbemerkung der Redaktion

Nichi Vendola ist Vorsitzender der SEL (Sozialismus, Ökologie und Freiheit), die zum „linken“ Flügel der gegenwärtigen Opposition zählt und dort am konsequentesten auf außerparlamentarische Bewegungen setzt. Als am 15. Oktober die römische Demonstration der „Indignati“ im Chaos endete, kritisierte Vendola den Schwarzen Block, der im Zentrum der Krawalle stand. Worauf man ihn einige Tage später, am Rande einer Demonstration der FIOM, anschrie: „Du Stück Scheiße, wie kannst Du behaupten, dass die vom Samstag Barbaren waren? Helden sind das, Helden!“. Vendola glaubt, jetzt für die selbsternannten Revolutionäre selbst zum „eigentlichen Feind“ geworden zu sein, „ mehr noch als die Rechte“. Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge eines Interviews mit ihm, das die „Repubblica“ am 22. Oktober veröffentlichte.


  1. Charakteristik der schwarzen Blocks. Da mischen sich „Fragmente von Antagonismus mit sozialem Rechtextremismus, unklare ideologische Mythen mit Praktiken der Stadtguerilla und schlichtem Banditentum. Ihr Rekrutierungsort sind die Fan-Kurven in den Fußballstadien. Ihr politisches Programm ist schlicht: Drauf auf die Bullen… Wenn es etwas gibt, was uns die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts lehrte, so ist es das: Wer eine freundlichere Welt will, muss Freundlichkeit praktizieren. Barbarische Mittel führen zu einer barbarischen Welt. Die Bilder von der libyischen Revolte machen mir Angst. Angst vor dem, der die Schändung einer Leiche feiert, auch wenn es sich um die Leiche eines mörderischen Diktators wie Gaddafi handelt.“
  2. Staatliche Schützenhilfe. „Ihre Rekrutierungsbasis finden die schwarz Vermummten in der zunehmenden Verzweiflung der neuen Generationen, aber noch mehr profitieren sie von der Unfähigkeit des Staates. Die Reaktion der Regierung war unglaublich. Erst hat sie auf jede Prävention verzichtet und die Ordnungskräfte verheizt. Und was tut sie nach der Katastrophe? Die schwarzen Blocks erklären den Krieg, der Staat lässt sich darauf ein. Die vorgeschlagenen Sondergesetze gehen genau in diese Richtung. Sie wären die politische Anerkennung, der Ritterschlag für die Schwarzen Blocks…“
  3. Schwarze Blocks und Bewegungen. „Hier darf es keine Zweideutigkeit geben. Die schwarzen Blocks stellen die Kernidee der Bewegungen dieser Jahre, den Schutz der gemeinschaftlichen Güter, politisch auf den Kopf. Sie negieren das Gemeinwohl selbst. Die Stadt und ihre Plätze, als Orte des Politischen und der urbanen Schönheit, sind für die Schwarzen Blocks keine gemeinschaftlichen Güter, keine Orte, die man mit Liebe und Respekt durchquert, sondern eine Beute. Sie zerstören die Stadt, um die Polis zu zerstören, die gute Politik, welche die Bewegungen neu beleben wollen.“
  4. Die Schwarzen Blocks und die gegenwärtigen Machthaber. „Die Vermummten sind die Kehrseite der Gewalt, die auch von den gegenwärtigen Machtinhabern ausgeht. Ihnen gemeinsam ist der Machismo, der Geist der Zerstörung, die Liebe zur Maskierung. Sie bauen Barrikaden und schließen aus ihrem Kampf die Schwachen aus, um ein Territorium zu schaffen, wo die Ästhetik des Krieges und nicht die Ethik der Politik gilt… Ein Ministerpräsident, der mit jemandem wie Lavitola über eine Revolution der Straße fabuliert, über Tumulte gegen Zeitungen und Justizpaläste, liegt ganz auf dieser Linie. Was sie vereint, ist die Verachtung der Legalität, der Grundlage des demokratischen Spiels … Die Polizisten sind Werktätige, kommen aus einfachen Volksschichten … Der Applaus der friedlichen Demonstranten für die Ordnungskräfte, die den Schwarzen Block angriffen, und der Polizist, der eine getroffene Demonstrantin tröstete, sind neue und wichtige Gesten.“
  5. Die schwarzen Blocks und die Jugendlichen, die sich durch die Politik nicht mehr repräsentiert fühlen. „Ihr Anteil wird sich weiter vergrößern, wenn es Politik und Medien nicht verstehen, dass das Problem der prekären Beschäftigung, des prekären Lebens das Problem Nummer 1 ist, wichtiger als öffentliche Verschuldung, Krise, Vorschriften des Währungsfonds und der Zentralbanken. Die Prekarisierung ganzer Generationen führt zum fundamentalen Bruch. Entweder sie wird medial und politisch vermittelt, oder sie sorgt für den Zulauf zu den Schwarzen Blocks, auf der Straße oder in den Palästen der Macht. Wenn das schon Draghi und die Bischöfe verstehen, müsste es auch Mitte-Links verstehen.“
Wer weitere Informationen über Nichi Vendolas neuestes Buch möchte, das jetzte in deutscher Sprache erschien: http://culturmag.de/rubriken/buecher/nichi-vendola-es-gibt-ein-besseres-italien/36954