Schon fast im Jenseits

Vorbemerkung

In einer Mainacht des vergangenen Jahres wird eine junge Marokkanerin, gegen die eine Diebstahlsanzeige vorliegt, in Mailand von der Polizei aufgegriffen. Eigentlich ein Routinefall. Außergewöhnlich ist nur, dass in der gleichen Nacht der italienische Ministerpräsident persönlich mehrmals in der Dienststelle anruft, um ihre sofortige Freilassung zu erwirken. Sie sei die „Nichte Mubaraks“, ihre Verhaftung werde zu politischen Verwicklungen führen. Woraufhin Ruby – so ihr „Künstlername“ – noch in der gleichen Nacht wieder aus der Obhut der verdutzten Polizei entlassen wird, nachdem auch B.s Beauftragte Nicole Minetti in der Dienststelle erschien. Da sich schnell herausstellte, dass Ruby

  • nicht „Mubaraks Nichte“, aber noch minderjährig war und zu B.s Gespielinnen auf den Festen in seiner Privatvilla gehörte,
  • Nicole Minetti B.s Feste mit jungen Frauen und Prostituierten versorgte, und
  • der Schluss nahe lag, dass B.s Intervention ein unvorbereitetes Polizeiverhör von Ruby verhindern sollte, begann die Mailänder Staatsanwaltschaft gegen B. wegen Amtsmissbrauchs und der Prostitution Minderjähriger zu ermitteln. Die folgenden

Zitate entstammen Verhörprotokollen oder mitgehörten Telefongesprächen (wir halten uns an die Übersetzung von Petra Reski in der ZEIT vom 27. Januar 2011). Sie belegen unter anderem, wie Ruby – offenbar erfolgreich – B. erpresst hat. Der immerhin der italienische Ministerpräsident ist

Aus dem Verhör einer Mitbewohnerin Rubys durch die Staatsanwaltschaft:

„Ich erinnere mich daran, dass sie behauptete, eine Freundin von Berlusconi zu sein, dem Ministerpräsidenten. Sie sei oft bei ihm in der Villa zu Besuch gewesen, wo sie zu Abend gegessen und getanzt und mit ihm Sex gehabt habe, wofür er ihr sehr viel Geld gezahlt habe“.

Ruby telefoniert mit einem Freund, nach einem Verhör durch die Staatsanwaltschaft:

„Ich habe gerade mit ihm telefoniert… mit ihm, IHM! … Jesus! Er hat mich genau vor drei Minuten angerufen. Ich habe ihm gesagt, dass ich viele Sachen zugegeben, aber auch viele verschwiegen habe. Ich habe ihm alles gesagt, was ich gesagt habe, weil ich das angesichts der Beweise zugeben musste. Er sagte, wir sind aber nicht in Gefahr, wir haben nur ein paar Schwierigkeiten. Dann habe ich ihm gesagt: Ich wollte Dich was fragen, denn aus dieser Situation möchte ich natürlich mit etwas in der Hand herausgehen. Er sagte: klar, das ist normal. Und dann hat er mir so ein komisches Sprichwort gesagt, etwas wie: ‚Wenn das Meer stürmt, dann lässt man die Menschen nicht untergehen“.

Ruby telefoniert mit ihrem Vater:

„Ich bin jetzt hier mit dem Anwalt… Silvio hat ihm gesagt: Sag ihr, dass ich zahle, was sie will. Hauptsache, sie hält den Mund. Sie kann auch so tun, als wäre sie verrückt. Hauptsache, sie hält mich aus den Sachen raus. Dass sie sagt, dass ich sie nie gesehen habe, als sie noch 17 war, und sie nie bei mir zu Hause war…“

Ruby zu einer Freundin:

„Wir machen uns natürlich Sorgen, der Anwalt ist gerade weggegangen. Ich habe gesagt, dass ich gerade mit Silvio gesprochen habe und dass ich am Ende etwas in der Hand haben muss, dass er mir also fünf Millionen geben muss. Fünf Millionen dafür, das mein Name in den Schmutz gezogen wurde.“

Eleonora, Stammgast auf B.s Partys, telefoniert mit Stammgast Imma zum Thema B.:

Eleonora: „… Meiner Meinung nach ist er out“.
Imma: „Er ist fett geworden, hässlich.“
Eleonora: „Früher war er mehr in Form, jetzt ist er schon fast im Jenseits, hässlich ist er auch. Er muss nur was lockermachen“.
Imma: „Genau. Ich schenke ihm einen Scheißdreck. Am Ende lacht er uns ins Gesicht“.

Nachbemerkung:

Nun beklagt sich B. über „die Einmischung (der Staatsanwaltschaft) in mein Privatleben“. Und seine Anwälte behaupten, die Mailänder Staatsanwaltschaft sei für die Verfolgung der B. vorgeworfenen Straftaten „nicht zuständig“.