Lieber Präsident

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Lieber Präsident,

sicherlich hat Ihnen Unterstaatssekretär Bonaiuti (1) schon über den letzten Gag aus Amerika berichtet, die bizarre Idee einer Gruppe von jovialen Milliardären, die nun von ihren angehäuften Reichtümern die Hälfte oder mehr an die Gesellschaft für wohltätige Zwecke zurückgeben will. Ich kann mir Ihr schallendes Gelächter vorstellen, als Sie diese Geschichte von Bill Gates, Georges Soros, Michael Bloomberg und anderen 37 Multimilliardäre hörten. Wenn es so war, wäre dieser Brief an Sie vergeblich. Aber ich versuche es trotzdem, da bekanntlich die Hoffnung als letztes stirbt (und bitte dabei gleich um Entschuldigung, wohl wissend, dass Sie, der Sie doch auf dieser Erde das ewige Leben anstreben, das Wort Sterben nicht gerade lieben und sich sofort an eben Jene (2) fassen, wenn es doch jemand auszusprechen wagt).

Aber bei Licht betrachtet liegen Ihre amerikanischen Kollegen mit ihrer Idee gar nicht so daneben. Erst einmal würden Sie dann weniger Steuern bezahlen. Für jemanden wie Sie müsste das ein gutes Argument sein, da Ihre Beziehungen zum Finanzamt schon immer etwas angespannt waren. Zweitens reichte in Amerika schon die Ankündigung, um die Nabobs, die sich nach der großen Finanzkrise nicht gerade großer Beliebtheit erfreuten, in ein engelhaftes Licht zu tauchen. Und wer wenn nicht Sie möchte nicht gerne als Engel betrachtet werden, der Sie doch oft von der Liebe sprechen, die den Hass besiegt, und sich mit dieser Aureole auch im Fernsehen zeigen?
Stellen Sie sich vor, welchen Medienerfolg Ihnen eine solche Entscheidung einbringen würde. Bei den nächsten Wahlen würden Ihnen sicherlich schon allein deshalb viele Wähler ihre Stimmen geben. Und das in einer Zeit, in der jede Stimme zählt.

Entschuldigen Sie, wenn ich noch einmal auf das zurückkomme, was Ihnen, dem Gesalbten des HERRN, natürlich nie geschehen wird. Aber auch Gates und Kompagnons lassen sich Zeit. Einige wollen sofort einen Großteil ihres Besitzes für soziale Zwecke ausgeben, andere erst post mortem, so dass es ihre Erben sind, die am Hungertuch nagen werden. Wählen sie darunter die Lösung, die Ihnen am meisten gefällt, aber wählen Sie eine davon!

Sicher, nach Forbes soll sich Ihr Vermögen „nur“ auf etwa 9 Mrd. Dollar belaufen. Das wäre ein Zehntel dessen, worüber die Familie Walton (Wal Mart) verfügt, und weniger als ein Fünftel dessen, was dem Großfinanzier Soros oder dem ehemaligen Boss von Microsoft gehört. Eine Armseligkeit, könnte man sagen. Aber Ihr Reichtum ist fünf- oder sechsmal so hoch wie der anderer großzügiger Amerikaner, die sich dem Beispiel von Gates anschlossen. Damit hätten Sie eigentlich die Mittel zu einer Geste, die sicherlich nicht mit der desjenigen identisch wäre, der einst das Brot und die Fische vermehrte, aber in den Augen vieler Menschen würden Sie damit trotzdem zu einem Wohltäter werden. Würden Sie also, sagen wir, auf zwei Drittel Ihres Besitzes verzichten, so blieben Ihnen immerhin noch drei Milliarden Dollar. Genug, um weiterhin ein bescheidenes Leben auf Sardinien zu fristen. Und auch noch genug, um mit Freundinnen Feste zu feiern und Putin einzuladen.

Was würden Sie davon halten: Sie gehen zu Bruno Vespa und unterschreiben vor laufenden Fernsehkameras den notariellen Vertrag. Schenken sie Ihr Geld – bevor Sie es mit Veronica (3) teilen oder unter ihre weibliche Eskorte verschleudern müssten – zum Beispiel Arbeitslosen, Alten mit niedrigster Rente, alleinerziehenden Müttern, Flüchtlingen (aber sagen Sie es nicht Maroni! (4)), oder wer sonst Hilfe verdient.

Hören Sie nicht auf die Advokaten in Ihrer Umgebung, die dazu vielleicht noch besondere Schnapsideen beisteuern könnten. Da würde sicherlich der Vorschlag kommen, einen Solidaritätsfonds für verurteilte Ex-Verteidigungsminister (5) einzurichten, oder eine wohltätige Stiftung für die Kinder von Licio Gelli (6), oder ein Legat für die „Familie“ Ihres ehemaligen Stallmeisters (7)

Bitte folgen Sie diesen Vorschlägen nicht. Bitte treffen Sie einmal in Ihrem Leben eine Entscheidung, die auch anderen nützt. Und sie werden sehen, dass dann niemand mehr von Interessenkonflikt spricht.

Ihr
Antonio Umberto Riccò

Anmerkungen für deutsche Leser

  • (1) Unterstaatssekretär Bonaiuti ist Sprecher der Regierung Berlusconi
  • (2) Anmerkung des Übersetzers, um dem in diesem Punkt vielleicht begriffsstutzigen deutschen Leser auf die Sprünge zu helfen: Es handelt sich um eben Jene, die dem weiblichen Körper mangeln. Ein richtiger italienischer Mann fasst sich dorthin, wenn z.B. ein Leichenwagen an ihm vorbeifährt, um sich zu vergewissern, dass noch Leben in ihm ist. Als B. in seiner Bonner Rede voller Stolz auf eben Jene (ihm gehörigen) hinwies, wurde dies für die feinen deutschen Ohren der Kanzlerin nicht übersetzt. Aber Peter Hintze hatte alles verstanden, er erklärte die Rede für „wunderbar“.
  • (3) Veronica Lario ist die Frau, die sich von B. kürzlich scheiden ließ.
  • (4) Maroni ist der auch für Immigration zuständige Innenminister. Er gehört zur Lega und ist für seine rabiate Ausländerpolitik bekannt.
  • (5) Anspielung auf Cesare Previti, der wegen verschiedener Delikte, die er im Dienste von B. beging, zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde
  • (6) Licio Gelli war der Großmeister der Geheimorganisation „P 2“, die 1981 aufflog.
  • (7) Anspielung auf den Mafia-Mann Mangano, der der Berlusconi-Familie in den 70er Jahren als Leibwächter diente

Aus http://domani.arcoiris.tv/