Komplizenbande

„Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit“
(Karl Kraus)

Karl Kraus

Karl Kraus (1874 bis 1936) war ein etwas bösartiger österreichischer Satiriker, der auch ein Gespür für die Doppeldeutigkeiten der deutschen Sprache hatte. Die jüngsten Ereignisse in Italien verführen dazu, sich erneut des Doppelsinns des deutschen Worts „Bande“ zu bedienen.

Aldo Brancher, der alte Kumpel von B., den dieser zum Minister machte, um ihn vor der Justiz zu schützen, ist nun also doch zurückgetreten. Der Skandal, den B. mit der Ernennung ausgelöst hatte, war zu groß, das Manöver zu durchsichtig. Nicht nur der Staatspräsident gab seine Irritation zu Protokoll, sondern sogar Bossi, der sonst durch dick und dünn zu Berlusconi hält (Hauptsache, er bekommt seinen „Föderalismus“), distanzierte sich. Brancher ist nun wieder zu dem kleinen Unterstaatssekretär zurückgestuft worden, der er vorher war. Dem gegen ihn anhängigen Gerichtsverfahren wegen Hehlerei und Unterschlagung muss er sich wohl stellen.

Damit steht auch B. plötzlich ziemlich nackt und bloß da. Erst macht er Brancher über Nacht zum Minister, niemand weiß für welche Angelegenheiten, so dass auch der Beförderte selbst vor laufenden Kameras ins Stottern kam, als er gefragt wurde, was denn eigentlich seine Aufgaben seien. Womit der Zweck des ganzen Manövers umso klarer wurde: Auch Brancher sollte unter den Schutzschild gegen die Justiz kriechen können, den B. über sich und seine Leute gespannt hat. Schon 10 Tage später musste Brancher wieder zurücktreten. Wie es heißt, im Einvernehmen mit B., der ihn nun fallen ließ wie eine heiße Kartoffel, aber nach dem Motto: Versuchen konnte man es ja mal.

Nach der Verurteilung von Dell’Utri ist dies der zweite Rückschlag, den B. innerhalb weniger Tage einstecken muss. Er ist eben immer noch nicht allmächtig. Und nun bröckelt auch der für ihn so wichtige Nimbus, dass er in jedem Fall seine Leute schützt.

Berlusconi ist kein Politiker, der ein Ziel verfolgt, von dem er glaubt, dass es gut für Italien sei. Die Ereignisse der letzten Wochen erinnern daran, dass er zuallererst ein Mann mit Vergangenheit ist, dessen heutiges Tun und Lassen durch den immerwährenden Versuch bestimmt ist, nicht von den Dämonen dieser Vergangenheit eingeholt zu werden. Er erscheint reich und allmächtig, ein Herrscher unter einem Heer von Sklaven. Aber er ist und bleibt abhängig, erbärmlich abhängig von denjenigen, die seinen Aufstieg begleiteten: von Menschen wie Brancher, Bestecher und Finanzfälscher, oder Dell’Utri, Verbindungsmann zur Mafia. Reduziert man B.s „Projekt“, wenn man bei ihm überhaupt von einem solchen reden kann, auf seinen harten Kern, so ist es banal: Er will einerseits seine Haut retten. Und andererseits will er die uneingeschränkte Macht. Um seine Haut zu retten, muss er auch die seiner Komplizen retten. Sein Kampf gegen die demokratischen Institutionen, gegen freie Presse, Justiz, Verfassung und Staatspräsident mag titanisch erscheinen, aber entspringt dieser Kombination von Machtanspruch und Fluchtreflex. Daher auch die eigentümliche Leere seines Strebens nach uneingeschränkter Macht: Wer so mit der Abwehr dessen beschäftigt ist, was ihn persönlich bedroht, kann nicht aufbauen, sondern eigentlich nur verbrannte Erde hinter sich lassen. Das Schlimme ist, dass B. dafür ein ganzes Land in Haftung nimmt und mit dem Zerstören schon einigen Erfolg hatte. Und auch in Zukunft weiteren Erfolg haben kann.

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