Berlusconis Beitrag zur Kultur

Bei diesem Thema könnte man es sich einfach machen. Die Seichtigkeit der Sendungen, die der ehemalige Barsänger Berlusconi über seine Privatkanäle und nun auch über das Staatsfernsehen verbreiten lässt, spricht schon für sich. Als er 2008 erneut Ministerpräsident wurde, ernannte sein Kulturminister Bondi einen früheren Geschäftsführer von McDonald’s Italia (Mario Resca) zum Verantwortlichen für die Verwertung italienischer Kulturgüter. Wer eine Ahnung hat, um welche Schätze es hier geht, kann sich vorstellen, in welch guten Händen sie sich nun befinden.

Aber dabei bleibt es nicht, denn Berlusconi setzt Maßstäbe, bis in die italienische Alltagskultur hinein. Immerhin hat er Charme, den Charme des Newcomers, der sich mit „Furbizia“ (Verschlagenheit) hier durchschlängelt, dort durchboxt und am Ende alle überholt. Seine Witze über deutsche KZs, italienische Antifaschisten, Schwarze und, natürlich, Frauen sind bekannt und von keiner political correctness beschwert. Die Ikone der „Freiheit“, die er vor sich herträgt (seine Partei heißt „Popolo della Libertà“), ist nicht nur die Freiheit des wirtschaftlichen Erfolgs, sondern auch der abgestreiften Fesseln. Der von ihm vorgelebte Lebensstil mit Champagner, Mädchen und Putin demonstriert Reichtum, aber zugleich eine Leichtigkeit des Seins, an der alle, so auch die Botschaft seiner Fernsehkanäle, genesen könnten, wenn sie nur ihre Verklemmtheiten und Neidkomplexe hinter sich ließen.

Berlusconis Beitrag zur italienischen Gegenwartskultur ist der Tabubruch. Der Antifaschismus war Grundkonsens der italienischen Nachkriegsrepublik? Ein alter Zopf, weg damit. Die italienischen Männer sollen nicht mehr ihre Witze über Frauen machen dürfen? Damit verschwände ja alle Galanterie! (Originalton: „Warum es bei uns so viele Vergewaltigungen gibt? Weil die italienischen Frauen so schön sind!“). Auch die Fremdenfeindlichkeit der Lega Nord ist ja eigentlich nur ein weiterer Tabubruch. Soll man etwa über Ausländer nicht mehr seine Meinung sagen dürfen? Aber trotzdem schön locker bleiben!

Durchschlagend ist Berlusconis Beitrag zur politischen Kultur. Zur Verdeutlichung ein kleines Gedankenexperiment: Nehmen wir an, vor 10 Jahren, als in Deutschland die Parteispendenaffaire aufkam, seien Helmuth Kohl und die CDU noch an der Regierung gewesen. Und sie hätten gleich ein Gesetz verabschiedet, welches jede Strafverfolgung des Bundeskanzlers untersagte. Nehmen wir an, das Bundesverfassungsgericht hätte das Gesetz annulliert, worauf der Kanzler erklärt hätte, das Gericht bestehe aus „Kommunisten“, die gegen ihn „putschen“ wollten und demnächst aus dem Amt gejagt werden müssten. Nehmen wir weiter an, dass er sich an das Volk gewandt hätte, um zu erklären, dass jede Kritik an ihm eine Beleidigung des ganzen deutschen Volkes sei, das ihn ja „gewählt“ habe, und somit er, der von morgens bis abends „für das Wohl des Vaterlands“ arbeite, über dem Gesetz stehe. Nehmen wir weiter an, dass er daraufhin ein weiteres Gesetz aufgelegt hätte, um schlankweg alle Verfahren, die schon so lange wie seine eigenen liefen, für verjährt zu erklären. Und nehmen wir schließlich an, dass er zudem versucht hätte, noch vernehmbare Opposition einerseits durch wirtschaftlichen Druck zum Schweigen zu bringen, indem er die Unternehmerverbände aufgefordert hätte, bestimmten Zeitungen die Anzeigen zu entziehen, andererseits durch Schmutzkampagnen, indem er z. B. über den Chefredakteur eines Kirchenblatts verlauten ließ, er besitze Informationen, dass dieser schwul sei.

Ein aus den Fingern gesogenes Horrorszenario von einem anderen Stern? Für Deutschland, gegenwärtig, zum Glück ja. Für Italien leider nein, dort ist es, unter der Ägide von Berlusconi, bittere Realität, und zwar Punkt für Punkt.

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