Methode B

Was tun, wenn ich wegen einer Sache beschuldigt werde? Mein römischer Freund Marco kommt in Fahrt: „Du musst von vornherein sagen: Stimmt nicht! Auch wenn es klar auf der Hand liegt: Nein! Wenn Dich Deine Frau mit einer anderen im Bett erwischt? Nein, stimmt nicht! Wenn sie zehn Zeugen dabei hat? Sag einfach Nein, absolut Nein! Wenn Du geblitzt wirst, weil Du mit 150 durch die Stadt braust? Stimmt nicht! Auch gegen alle Evidenz: Negare, negare, sempre negare! So musst Du es machen!“ Marco, über 65, grinst so spitzbübisch, dass ich trotz meine protestantischen Gene lachen muss. Was er anpreist, ist Methode A.

Inzwischen weiß ich, Methode A ist hinterwäldlerisch. Besser ist Methode B. Dieses Wissen verdanke ich einem Telefongespräch, das Berlusconi 1994 mit seinem Advokaten Berruti führte. Es ging um die gleiche Frage: Was tun, wenn man beschuldigt wird? Berruti war früher bei der Finanzpolizei gewesen und hatte in dieser Eigenschaft Berlusconis Geschäfte kontrolliert. Seine Ergebnisse entlasteten Berlusconi, er übernahm ihn in seine Dienste. 1994 drohte Ungemach: Der Staatsanwaltschaft war zu Ohren gekommen, dass Berruti einen unter Korruptionsverdacht stehenden anderen Beamten der Finanzpolizei bearbeitet hatte, er möge der Staatsanwaltschaft bestimmte Tatsachen über Berlusconis Fininvest verschweigen. Deshalb wurde Berruti zu einer Befragung geladen, und wollte nun von Berlusconi wissen, wie er sich verhalten sollte.

(Berruti):

„Hier ist Massimo, Herr Präsident… Die (von der Staatsanwaltschaft) wollen mit mir sprechen. Es scheint, dass irgendjemand erzählt hat, ich sei zu jemandem gegangen, um ihn aufzufordern, nicht über die Angelegenheit Fininvest zu sprechen“.

(Berlusconi):

„Na gut, sagen Sie einfach, ihr habt sie wohl nicht alle… Sie sagen, ich habe nichts zu verbergen, und so geht ihr mit einem Bürger dieser Republik um … Und dann schreien Sie: Ihr habt sie wohl nicht alle, ihr seid wilde Tiere, von euch lasse ich mich nicht ins Gefängnis stecken, das ist Kidnapping, usw. usw. (Zu dem Mann, der Sie anklagt, sagen Sie:) Sie verblödetes Miststück, der nichts auf die Reihe bringt… Dann geben Sie gegenüber den Journalisten eine Erklärung ab: Mit diesen Schwachsinnigen, das ist nicht mehr auszuhalten. Geben Sie solche Erklärungen schon ab, bevor Sie da reingehen. (Sie sagen) Mit alledem arbeitet man nur gegen das Interesse des Landes, denn das Land braucht Zuversicht, braucht Ruhe, weil es wieder aufgebaut werden muss… Die (von der Staatsanwaltschaft)… sind Volksfeinde!“

Das ist Methode B. Man versteht, warum sie Methode A überlegen ist. Keine Äußerung zur Sache, jedes „Nein“ ist schon zuviel. Stattdessen die sofortige Offensive: Haben die überhaupt ein Recht, mich über meine Geschäfte zu befragen? Mich, einen Bürger, der fürs Allgemeinwohl arbeitet! Und dann schimpfen, mit einer Vulgarität, die jeden zum Verstummen bringt. Das Ergebnis: Über die Sache wird nicht mehr geredet. Berlusconi befolgt diese Methode bis heute, buchstabengetreu, mit einer Verfeinerung: Die von der Staatsanwaltschaft sind nicht nur „schwachsinnig“, sondern auch „Linke“ und „Kommunisten“.

Das Telefongespräch ist kein Scherz, sondern fand am 10. August 1994 vormittags um halb 11 statt, zwischen Berruti und Berlusconi. Es blieb uns erhalten, weil es von der Polizei abgehört wurde, die nach einem flüchtigen Mafioso suchte und hoffte, dieser würde sich vielleicht bei Berruti melden. Dass er sich stattdessen mit Berlusconi unterhielt, damals schon Ministerpräsident, war Zufall. Abgehört wurde das Gespräch trotzdem, das Protokoll wurde zu den Akten des Verfahrens gegen den Mafioso genommen und von der „Repubblica“ am 23. November 09 wieder ausgegraben.

Inzwischen brachte Berlusconi im Parlament einen Gesetzentwurf ein, der Abhöraktionen gegen Leute wie ihn verbieten soll.

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