Staatspräsident alarmiert

Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano ist alarmiert. Nach dem Anschlag auf Ministerpräsident Berlusconi verschärft sich der Ton der Auseinandersetzung. Insbesondere die sog. “Falken“ der Berlusconi-Partei „Popolo della Libertà“ und der „Lega Nord“ heizen das bereits angespannte politische Klima mit abenteuerlichen Beschuldigungen weiter an: verschiedene Oppositionelle, die Zeitung Repubblica und die „politisierten“ Richter seien die „geistigen Auftraggeber“ des Anschlags. Gleichzeitig finden die Spekulationen um vorgezogene Neuwahlen neue Nahrung.

In dieser Situation hat der Staatspräsident im Fernsehen einen eindringlichen Appell an alle politischen Kräfte gerichtet, „sofort und mit aller Kraft das Wiedererwachen von Formen der Gewalt zu verhindern, die Italien in einer nicht allzu fernen Vergangenheit bereits erlebt und hart bezahlt hat“. In Italien habe sich „die politischen Entwicklung gefährlich zugespitzt“, was unbedingt gestoppt werden müsse. Es sei an der Zeit, erklärt Napolitano, mit der gegenseitigen Bezichtigung, das politische Klima zu vergiften, aufzuhören und in gemeinsamer Verantwortung zu einem „normalen, zivilen Austausch zwischen den politischen Kräften“ zurückzukehren, „unter Respektierung der Verfassungsinstitutionen und Beachtung der von der Verfassung vorgegebenen Regeln“.

Nach Meinung einiger Beobachter sind die aggressiven Töne der „Falken“ innerhalb der PDL und Lega Nord auch ein Ergebnis von Spannungen innerhalb des Regierungslagers. So richten sich die Attacken nicht nur gegen die Opposition und die kritische Presse, sondern auch gegen den Parlamentspräsidenten und PDL-Mitgründer Gianfranco Fini. Der neueste Konflikt entzündete sich an der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes: Fini kritisierte, dass die Regierung, die im Parlament über eine satte Mehrheit von fast 100 Abgeordneten verfügt, bei der Verabschiedung dieses Gesetzes einmal mehr die Vertrauensfrage stellte. Allerdings hat das Methode: Seit ihrer Bildung im April 2008 hat die Regierung 27mal die Vertrauensfrage gestellt, um bei Abstimmungen über neue Gesetze sowohl mögliche „Abtrünnige“ (v.a. aus dem Fini-Lager) als auch notorische „Absentisten“ zu disziplinieren. Viele PDL-Vertreter haben sich angewöhnt, den Parlamentssitzungen fernzubleiben: aus schlichtem Desinteresse am parlamentarischen Geschäft und aus mangelnder politischer Verantwortung.

Die Schwäche des Regierungslagers und die Zerrissenheit der Opposition erzeugen – jenseits aller verbalen Schlachten – ein politisches Vakuum bei der Lösung der Probleme des Landes. Diese sind drängend genug: die Wirtschaftskrise, die sozialen Spannungen, die Ängste vor einer multiethnischen Gesellschaft, um nur einige zu nennen.

Eine gefährliche Gemengelage. Die mahnenden Worte des Staatspräsidenten wollen zu einer Entschärfung beitragen. Das Problem dabei ist, dass Berlusconi und seine Partei ihn als ersten Bürger Italiens und als Hüter der Verfassung immer offener in Frage stellen und immer heftiger attackieren. Vorgeblich, weil er „ein Linker“ sei. Vor allem aber wohl deshalb, weil sie etwas gegen die bestehende Verfassung haben. Wie drückte es Berlusconi kürzlich aus? Was Napolitano sagt, „non mi interessa.“ Dass er den Staatspräsidenten in seinen Konflikt mit der italienischen Rechts- und Staatsordnung einbezieht, destabilisiert Italien zusätzlich.

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