Licht am Ende des Tunnels

Bei der italienischen Politik lernt man es, den Augenblick zu genießen. So auch diesen, in dem es erstmals wieder möglich scheint, dass sich die Wähler, die B. groß machten, auch von ihm abwenden könnten. Als Montagabend in unserem Dorf die ersten Wahlergebnisse – vor allem aus Mailand – eintrafen, liefen wir zu Freunden, um mit ihnen eine Flasche Prosecco zu leeren. Vielleicht zieht sich Italien doch noch am eigenen Schopf aus dem Sumpf. Vielleicht holt die Demokratie doch noch den Mann ein, der sie zerstören will. Ein Glückgefühl, das wir teilen wollten. Auch wenn wir wissen, dass es auch wieder ganz anders kommen kann.

Was machte B. in Mailand falsch? Die Wählerschaft dort gilt als überwiegend „moderat“, aber auch selbstbewusst und aufgeklärt, wie es sich für eine Stadt gehört, die immer noch die ökonomische Lokomotive des Landes ist. Lange war es B.s Stadt, in der seine Anhänger über eine sichere Mehrheit verfügten und politische Alternativen keine Chance hatten.

Was also hat er falsch gemacht? Die Antwort ist schlicht, aber vielleicht trotzdem richtig: Einerseits nahmen sein Ansehen und seine Popularität überall ab, andererseits hat er sich gerade in diesem Mailänder Wahlkampf überschätzt – oder die Intelligenz seiner (bisherigen) Wähler unterschätzt. Pisapias Wähler kommen aus allen Lagern, auch aus dem „bürgerlichen“. Dass B.s Regierung im Kampf für seine Straflosigkeit viel Getöse produziert, aber ansonsten wenig zuwege bringt, blieb auch denjenigen nicht verborgen, die gewohnt sind, politisches Handeln an dessen ökonomischer Effektivität zu messen. Obwohl B. bisher als Botschafter des neoliberalen Laisser faire auftrat, verkörpert er auch dessen Schattenseite: Wo staatliches Handeln erforderlich wäre, um der lahmenden italienischen Wirtschaft auf die Beine zu helfen (Anreize für langfristige Investitionen in Forschung und Entwicklung, Qualifikationsprogramme), blieb seine Regierung tatenlos.

Sein Fehler im Mailand war es, dass er die Kommunalwahlen nutzen wollte, um seinen Stern noch einmal zum Leuchten zu bringen. Mit dem Gestus dessen, der helfen will, erklärte er sie zur Abstimmung über sich und gegen die Staatsanwälte, die ihn wegen seiner Korruptions- und Sexaffären verfolgen. Damit machte er alles falsch, was nur falsch zu machen war: Seine Mailänder Spitzenkandidatin degradierte er zur Sprechpuppe. Die Wahl belastete er mit einer Zuspitzung („die Staatsanwälte oder ich“), die ihn selbst als „Extremisten“ kenntlich machte. Ebenso unübersehbar war es, dass er diese Wahl, in der es doch um konkrete Bürgerprobleme gehen sollte, für sein persönliches Interesse instrumentalisierte. Der Glaube, hierin werde ihm die Mehrheit der Mailänder folgen, zeigt seinen Realitätsverlust.

Natürlich wird jetzt im rechten Lager nach dem Schuldigen gesucht, und es knarrt im Gebälk der „unverbrüchlichen“ Freundschaft von Berlusconi und Bossi. Noch geben sich beide nicht geschlagen, denn in einer guten Woche steht die Stichwahl an, auch wenn der Kandidat der Opposition einen Startvorteil von 6 Punkten hat. Nun wird Pisapia persönlich aufs Korn genommen: Er sei ein Mann der Ultralinken, ein Wahnsinniger, er werde den Bürgern weitere Abgaben aufzwingen. Er werde die Stadt in Schulden stürzen und zu einem Eldorado für Schwule, Zigeuner und Moscheen, also für den Terror machen. Das Übliche, um Angst zu erzeugen. Ob es noch wirkt, wird sich noch zeigen.

Zum Schluss ein weiteres Signal, das Hoffnung macht. Parallel zu den Kommunalwahlen fand in Sardinien eine Volksbefragung zur Kernenergie statt. Das Quorum, das in diesem Fall nur bei 33 % liegt, wurde übererfüllt: 59,34 % aller Wahlberechtigten drängten sich zur Abstimmung. Mit eindeutigem Ergebnis: 97,64 % lehnen den Bau von Kernkraftwerken und die Lagerung atomarer Abfällen auf sardischem Boden ab. Kein Wunder, dass B. unbedingt verhindern will, dass es am 12. Juni zur entsprechenden Abstimmung in Gesamtitalien kommt. Der Populist hat Angst vor seinem Volk.

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