Omertà im Parlament

Wie zu befürchten war, hat die Regierungsmehrheit aus PdL und Lega Nord am vergangenen Mittwoch den Misstrauensantrag der Opposition gegen Landwirtschaftsminister Romano zurückgewiesen. Gegen Romano ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Unterstützung der Mafia. Er ist von der UDC zur Gruppe der „Responsabili“ übergelaufen und ein enger Freund des früheren Präsidenten der Region Sizilien, Totò Cuffaro, der bereits wegen der Mafia im Knast sitzt. Womit zum ersten Mal auch ein Minister – neben Staatssekretären, Abgeordneten und Senatoren – direkt in Mafia-Ermittlungen verwickelt ist.

Romano wird verdächtigt, mit den mächtigen Clans von Villabate e Belmonte Mezzagno (sein Heimatort) zusammenzuarbeiten. Verschiedene „Pentiti“ (Mafiosi, die sich der Justiz stellten) belasten ihn massiv. Er habe – so die Staatsanwaltschaft – „seine Funktion der Cosa Nostra zur Verfügung gestellt und damit zur Verwirklichung ihrer kriminellen Pläne beigetragen“. Ein Zeuge sagte aus, der Mafia-Boss Mandalà habe ihm erzählt, Romano „in der Hand zu haben“. Als 2002 ein weiterer Boss verhaftet wurde (Romano war seit einem Jahr Abgeordneter), fand die Polizei in dessen Brieftasche Romanos Telefonnummer. Ein weiterer „Pentito“: „2001 sagt mir Romano, dass er kandidieren wolle, um für die Familien von Villabate und Belmonte als Bezugspunkt zu dienen.“

Genug Verdachtsmomente, um Ermittlungen einzuleiten. Aber für die Berlusconi-Truppe offensichtlich nicht genug, um Romanos Ministeramt in Frage zu stellen. Schließlich ist B. von den „Übergelaufenen“ abhängig, die bekanntlich nichts umsonst machen. Ergo hat das Parlament den Misstrauensantrag zurückgewiesen. Innenminister Maroni (Lega Nord), der für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zuständig ist und gerne den unerschrockenen Mafia-Jäger gibt, ließ verlauten: „Ich sehe keinen Grund, warum die Lega dem Misstrauensantrag der Opposition gegen den Romano zustimmen sollte. Anträge dieser Art hat es auch in der Vergangenheit gegeben, sie wurden immer zurückgewiesen. Ehrlich gesagt sehe ich nicht ein, warum es diesmal anders sein sollte“. Bestechende Logik. Dazu der Journalist Travaglio: „Das heißt: wenn künftig herauskommen sollte, dass ein Minister seine Frau ermordet oder ein Kind vergewaltigt hat, würde Maroni ihn trotzdem in der Regierung behalten, weil man das schon immer so gemacht hat. Eine Frage der Tradition“.

Die Sache hat wirklich Tradition. Vor einigen Tagen sagte die Regierungsmehrheit zur Verhaftung des PdL-Abgeordneten Milanese, früher ein hoher Beamter im Finanzministerium und rechte Hand von Minister Tremonti, ebenfalls „nein“. Milanese ist wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Korruption und Verrat von Staatsgeheimnissen angeklagt. Er soll vertrauliche Informationen über Ermittlungen der Finanzbehörde preisgegeben sowie Posten und öffentliche Aufträge gegen Bargeld und teure Geschenke (Autos, Boote) verteilt haben. Ein Bauunternehmer soll ihm monatlich 10.000 Euro für die Miete seiner römischen Wohnung, in der zeitweise auch der Finanzminister wohnte, in Cash gegeben haben.

Auch im Fall Milanese spielte die Lega mit: „Wir werden die Regierung retten“ (Bossi). Egal, was Milanese vorgeworfen wird. In einem Interview mit dem „Corriere della Sera“ warnte Milanese seine Kollegen vor der Parlamentsabstimmung: „Wenn ich in den Knast gehe, dann nicht allein!“. Der PdL-Abgeordnete Paniz verstand die Botschaft und begründete im Parlament das „Nein“ mit den Worten: „Wenn er verhaftet wird, könnte morgen jeder von uns betroffen sein!“. Womit er bei dieser Bande wohl Recht haben könnte.

Romano seinerseits folgte dem Vorbild B.s und attackierte in seiner Parlamentsrede frontal die Justiz, die „das gesamte Parlament in Haftung nimmt“. B. umarmte ihn demonstrativ (ein auch von der Cosa Nostra praktiziertes Ritual) und legte nach: Es gäbe „eine Diktatur von Richtern und Staatsanwälten“, man müsse gegen sie endlich einen Untersuchungsausschuss einsetzen.

B. hat es geschafft, die Mehrheit der Parlamentier zu seinen Komplizen zu machen. In der Dämmerung des Berlusconismus klammern sich die Regierungstruppen aneinander. Zu groß ist die Angst, mit B. zu fallen. Dass Italien dabei schweren Schaden nimmt, interessiert sie nicht die Bohne. Also bleibt der mafiaverdächtige Minister im Amt und auf die Anklagebank kommen die Richter.

1 887 888 889 890 891 1.091