Nach den Regionalwahlen

Die Wahl in Sardinien

Die Wahl in Sardinien

In Italien gab es im Februar zwei Regionalwahlen: vor knapp drei Wochen in den Abruzzen, vor sechs Tagen in Sardinien. In beiden Regionen gab es bisher Mittelinks-Regierungen, in beiden siegte jetzt die Rechte. Der Wahlkampf wurde vor allem zwischen drei Blöcken geführt: die Rechte um Salvinis Lega und Berlusconis Forza Italia, Mittelinks um die PD samt einigen Bürgerlisten, und die 5-Sterne-Bewegung, die noch einmal ohne Bündnispartner antrat. Die Ergebnisse ähneln sich erstaunlich: Die Rechte siegte jeweils mit 48 %, während Mittelinks auf gut 30 % zurückfiel (in den Abruzzen auf 31,3 %, in Sardinien auf 32,9 %). Da dies angesichts der Prognosen zu erwarten war, hat es kaum jemanden aufgeregt. Die eigentliche Überraschung ist, dass die 5SB in beiden Regionen abgeschlagen auf dem dritten Rang landete (in den Abruzzen bei 20 %, in Sardinien bei 11 %).

5-Sterne-Bewegung: langsamer Abstieg

Dies Ergebnis kann allerdings nur dann überraschen, wenn als Vergleichsmaßstab nicht die früheren Regionalwahlen, sondern die nationale Wahl im März 2018 herangezogen wird. Denn im Vergleich zu den Regionalwahlen von 2014 hielt sich die 5SB in den Abruzzen auf etwa gleichem Niveau, während sie in Sardinien, wo sie 2014 als junge Partei noch nicht einmal antrat, ihre heutigen 11 % sogar als Erfolg feiern kann. Aber nicht zu übersehen ist der Abfall gegenüber der Märzwahl vor einem Jahr, wo sie in den Abruzzen mit 40 % und in Sardinien mit sogar 42,4 % aller abgegebenen Stimmen mit riesigem Vorsprung zur stärksten Partei worden war. Von diesen Stimmen hat sie bei den Regionalwahlen etwa drei Viertel wieder verloren. Die genauere Analyse der Wählerwanderungen in den Abruzzen zeigt, wo sie geblieben sind: Nur 30 % ihrer Märzwähler wählten wieder die 5SB, während 50 % in die Wahlenthaltung zurückkehrten und die restlichen 20 Prozent diesmal zur Hälfte PD, zur Hälfte Lega wählten. Wenn man unterstellt, dass die ersten 10 Prozent vor allem frühere PD-Wähler waren, so war es für sie eine „Rückkehr“, während sich für die zweiten 10 Prozent die Märzwahl als Durchlauferhitzer Richtung Lega erwies. Der zuletzt genannte Befund passt zu den Prognosen, dass sich seit der Märzwahl die Kräfteverhältnisse in der Koalition immer mehr zugunsten der Lega verschieben, so dass sie schon längst nicht mehr nur ihr „Juniorpartner“, sondern zu ihrer führenden Kraft geworden ist.

Salvini: der Aufstieg geht weiter

Der Sieg des Rechtsbündnisses in beiden Regionen zeigt auch, dass die Niederlage der 5SB durch die wachsenden Erfolge des Bündnisses zwischen Lega und Forza Italia mehr als ausgeglichen wird. Wobei sich innerhalb dieser klassischen Rechten die politischen Gewichte immer mehr zur Lega verschieben, obwohl sie in beiden Regionen zum ersten Mal antrat: In Sardinien hat sie die FI relativ knapp (mit 11 % gegenüber 8 %), in den Abruzzen sogar meilenweit überholt (mit 27,5 % gegenüber 9 %). Die flehentliche Bitte Berlusconis, nun das erfolgreiche Rechtsbündnis doch bitte auch auf die nationale Ebene auszudehnen, das heißt die 5SB aus der Koalition auszubooten und stattdessen Forza Italia hineinzunehmen, stößt bei Salvini auf taube Ohren. Denn erstens würde es Neuwahlen erforderlich machen, womit der Unsicherheitsfaktor Mattarella ins Spiel käme. Und zweitens weiß Salvini, dass sich die Taktik, an zwei Tischen zu pokern, d. h. zwei verschiedene Bündnispartner gegeneinander auszuspielen, für ihn auszahlt: Auf der nationalen Ebene drängt er die 5SB Schritt für Schritt zurück (bzw. „saugt sie aus“, wie es treffender heißt), womit ihm auch die unangefochtene Führerschaft in der traditionellen Rechten fast von selbst in den Schoß fällt. Berlusconis Appelle zur Einheit der Rechten werden jeden Monat ein Stück demütiger.

Die Linke: „Trotz alledem“

Dann gibt es noch den Mittelinks-Block – „trotz alledem“, wie Ezio Mauro trotzig in der „Repubblica“ titelte. In beiden Regionen kam er auf gut 30 % – zu wenig, um an der Macht teilhaben zu können, zu viel, um sich aufgeben zu müssen. Für diejenigen Linken, die den rechten Erdrutsch des letzten Jahres nur als schlechten Traum erlebten, aus dem man endlich nur wieder aufwachen muss, war das Ergebnis eine weitere Enttäuschung. Für diejenigen, bei denen das verstörende Gefühl überwiegt, dass alles ins Rutschen geraten ist, ohne dass noch irgendein Halt in Sicht ist, gibt es einen Hoffnungsschimmer. Das scheinbar unaufhaltsame Wegbröckeln der Wählerschaft nach rechts könnte vielleicht gestoppt sein – immerhin verzeichnen die Wahlforscher zehn Prozent „Rückkehrer“ von der 5SB, was einige sogar schon von „Trendwende“ reden lässt. Es ist wie bei der Wanderung im Watt, wo bei Ebbe die Priele fast leer sind und man nicht weiß, ob die kleinen Rinnsale noch die Nachzügler des ablaufenden oder schon die Vorboten des zurückkehrenden Wassers sind. Mit dem Unterschied, dass der Wattwanderer weiß, dass er den Grund erreicht hat und die Flut in den nächsten Stunden zurückkehren wird. Während der politische Wanderer durch das heutige Italien erst in Jahren wissen wird, ob er jetzt schon ganz unten angekommen ist.

Reaktionen

Salvini ist der eigentliche Gewinner dieser Wahlen, aber klug genug, die Schwächung der 5SB durch die Landtagswahlen vorerst nicht auszunutzen, sondern stattdessen zu verkünden, er werde „niemals“ auf nationaler Ebene in eine Koalition mit Berlusconi zurückkehren. Einerseits honorierte er damit seine Rettung vor der Justiz, zu der die 5-Sterne-Bewegung wesentlich beitrug (s. „Bahn frei für den Vaterlandsverteidiger“), andererseits machte er sie damit noch abhängiger. Und schob auch gleich ein Angebot hinterher, das diese Abhängigkeit ein für alle Mal besiegeln könnte: Er würde auch die 5SB gern in jener Euro-Gruppe begrüßen, für die er (neben Le Pen natürlich) auch den Polen Kaczynski gewinnen will. Die Falle ist aufgestellt, zumal Di Maio Mühe hat, auf der europäischen Ebene Bündnispartner zu finden.

Die 5SB ist der Verlierer. Da aber zu ihrer technizistischen Ideologie die Gewissheit gehört, dass sie die Zukunft ist, sind Rückschläge nicht eingeplant, Di Maios Dauerlächeln ist leer, aber Programm. Und seit diesen Regionalwahlen angestrengter geworden. Plötzlich ist zu hören, dass man auf nationaler Ebene natürlich die Führungskraft bleibe, sich aber auf lokaler und regionaler Ebene vielleicht doch ein paar festere Strukturen zulegen müsse. Etwas weniger Bewegung, etwas mehr Partei scheint die neue organisatorische Losung zu werden. Umso fester muss man am politischen Bewegungsanspruch festhalten, die „No Tav“-Bewegung beispielsweise (die das Großprojekt einer Alpentunnels Richtung Lyon bekämpft), mit der die 5SB groß geworden ist, dürfe nicht „verraten“ werden. Was nicht nur die Beziehung zur Lega belastet (hinter der die norditalienischen Geschäftsleute stehen, die das Projekt meist befürworten), sondern auch die Grillini in Widersprüche stürzt, weil sie sich bisher nicht dazu aufraffen können, das Problem durch eine regionale Volksabstimmung zu entscheiden (wie es z. B. in Deutschland bei „Stuttgart 21“ geschah). Etwas peinlich für eine Partei, welche die Demokratie so „direkt“ wie möglich machen will.

Mittelinks schließlich hat versucht, bei diesen Regionalwahlen ein paar Lehren aus der Niederlage vor einem Jahr zu ziehen. Die PD trat diesmal nicht nur gemeinsam mit den linken Splitterparteien an, sondern auch mit vielen Bürgerlisten. Obwohl sie immer noch mit ihrer Selbstfindung beschäftigt ist, hat sie jeder Dritte gewählt. Sie hat noch eine Wählerschaft, auch wenn sich diese jetzt in Wartestellung befindet.

Ein letzter Wermutstropfen: In beiden Regionen ging nur noch jeder zweite Wahlberechtigte (53 %) zur Wahl. Eigentlich muss man also alle Zustimmungswerte halbieren, rechts wie links. Von der Teilnahme der Populisten um Salvini und Di Maio konnte man erwarten, dass die Wahlbeteiligung wieder steigen würde. Das erweist sich jetzt schon als Strohfeuer. Auch die Populisten agieren vor Rängen, die nur noch zur Hälfte gefüllt sind.