Bürgermeister gesucht

In vielen italienischen Kommunen, darunter wichtigen Städten wie Rom, Mailand, Neapel, Turin und Bologna, finden zwischen April und Juni 2016 Wahlen statt, bei denen auch die Bürgermeister direkt gewählt werden. Renzi und seine PD, die derzeit laut Umfragen in der Wählergunst sinken, ist die politische Signalwirkung des Urnengangs bewusst. Sie müssen sich ernsthafte Sorgen machen.

Es steht nämlich nicht gut um die Bindung der PD zu den Bürgern vor Ort oder, wie die Italiener sagen, zum „territorio“. Hunderte von örtlichen PD-Zirkeln schließen, viele sind nur noch „circoli fantasma“, auf ein paar wenige Parteifunktionäre zusammengeschrumpft und ohne politische Aktivitäten. Die Mitgliederzahlen gehen dramatisch zurück, sogar in der (einst) „roten“ Region Emilia-Romagna hat die PD innerhalb dieses Jahres ca. 40 % ihrer Mitglieder verloren.

PD schwächelt

Dass Renzis PD große Schwierigkeiten hat, in den „strategisch“ wichtigsten Städten starke und aussichtsreiche Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters aufzustellen, ist dafür nur ein weiteres Indiz. In der von Mafia und Korruption erschütterten Hauptstadt, wo der frühere Bürgermeister und PD-Außenseiter Ignazio Marino von seiner eigenen Partei gestürzt wurde (wir berichteten), ist noch völlig unklar, wen die PD ins Rennen schicken kann. Renzis Wunschkandidat, der amtierende Präsident der Region Lazio Nicola Zingaretti, zeigt keine Neigung, seinen Posten für den Schleudersitz auf dem Kapitol aufzugeben. Oder gar als Wahlverlierer dazustehen, wenn die 5-Sterne-Bewegung als stärkste Partei den Bürgermeister stellt. Eine durchaus realistische Möglichkeit, zumal das linke Lager gespalten ist: Der Abgeordnete Stefano Fassina, der mit anderen Renzi-Kritikern vor Kurzem aus der PD austrat und gemeinsam mit SEL die Gruppe „Sinistra Italiana“ gründete, hat bereits seine Kandidatur angekündigt.

Genauso unklar ist, wer für die PD in Neapel – auch nicht gerade ein einfaches Pflaster – antreten soll. Der „alte Löwe“ Antonio Bassolino, der in Neapel vor Jahren bereits ein nicht unumstrittener, aber beliebter Bürgermeister war, will es noch mal wissen und gegen den amtierenden De Magistris antreten. Dem Verschrotter Renzi ist Bassolino zu alt und zu links, also muss er schauen, dass er für die Vorwahlen im Frühjahr, die über den PD-Kandidaten in Neapel und anderswo entscheiden werden, eine Alternative präsentiert. Nur hat er bisher keine.

Und schließlich Mailand, die (gar nicht so) „heimliche Hauptstadt“ Italiens. Dort wird der jetzige Bürgermeister Pisapia, den im Frühjahr 2011 ein Bündnis aus PD, SEL und Bürgerbewegung an die Macht brachte, nicht noch einmal kandidieren, was viele bedauern. Denn er hat einiges bewegt und es weitgehend geschafft, in Italiens wichtigster Wirtschaftsmonopole eine Balance zwischen notwendiger Modernisierung und Berücksichtigung sozialer Belange herzustellen.

Anders als in Rom und Neapel hat Renzi in Mailand schon einen Favoriten im Auge, den er partout durchsetzen möchte: den Expo-Manager Giuseppe Sala, eher ein „Techniker“ als ein „Politiker“, der auch mehr bei Mitterechts als bei Mittelinks geschätzt wird. Salas Kandidatur ist ein Signal in Richtung „Partito della Nazione“, also Mitterechts. Während Pisapia eher auf eine parteiübergreifende linke Kandidatin setzt, die sein „Mailand-Projekt“ fortsetzen soll: seine jetzige Stellvertreterin Francesca Balzani. Zwar hat Renzi Pisapia versprochen, die Vorwahlen würden fair und offen sein, aber jeder weiß, wen der Ministerpräsident unterstützt.

„Nur Mut Italien!“

Renzis Aufmunterung

Renzis Aufmunterung

Zur Frage, welche Kandidaten die PD bei den Bürgermeisterwahlen des nächsten Jahres präsentiert, wird sie im März Vorwahlen („Primarie“) abhalten. Und der PD-Vorstand wird im Januar entscheiden, wer bei diesen Vorwahlen ins Rennen gehen kann. Inzwischen versucht Renzi, seine Partei wieder dem entfremdeten Volk näher zu bringen. Mit etwas unbeholfenen Aktionen : Für den 5. Dezember verordnete er seiner Partei unter dem Motto „Italia coraggio!“ („Nur Mut Italien!“) einen „Tag der Infostände“ auf über tausend italienischen Plätzen. Um die Bürger für die Wundertaten seiner Regierung zu begeistern. An den Infoständen hätten sich alle PD-Funkionäre und -Mandatsträger einzufinden, lautete die Chefansage. „So etwas ruft man dem zu, der im Sterben liegt!“, meinte zum „Coraggio!“-Ruf meine Kusine, die allerdings einen Hang zum Dramatisieren hat und, da sie sehr links ist, Renzi nicht ausstehen kann.

Die PD folgte brav dem Aufruf, sogar renitente Parteilinke ließen sich an den Infoständen blicken. Nur was soll so eine einmalige Werbeaktion mit Tapeziertischen, bunten Spruchbändern und beschrifteten Wandtafeln bringen? Eigentlich seltsam, dass ein versierter Politiker und „Medienmensch“ wie Renzi uns (oder sich) einreden will, man könne mit so simplen, fast hilflosen Mitteln schlummernde Anhänger „remobilisieren“ oder gar neue dazu gewinnen.

Die Lücke werden andere schließen

Wäre es da nicht besser, sich ernsthaft mit den Gründen für die „Entfremdung“ zu befassen und nach Gegenmitteln zu suchen? Angefangen mit einer moralischen Erneuerung der Partei in allen ihren Gliederungen und mit der Eröffnung einer offenen internen Debatten um Inhalte und Strategien, die nicht schon im Keim durch die Frage erstickt wird, ob man für oder gegen den großen Leader ist.

Eine solche Debatte, die über Parteigrenzen hinaus auch die Zivilgesellschaft erfassen müsste, lässt sich auch nicht allein in der Sicherheit der „Leopolda“ führen, dem Forum, das in jedem Dezember in Florenz stattfindet und bereits ritualisierte Züge aufweist. Es dient mehr Renzis Selbstdarstellung als einem realen Austausch über die Italien bewegenden Fragen.

Die Lücke, die Renzis PD lässt, drohen andere zu füllen: die 5-Sterne-Bewegung, die sich immer deutlicher von Grillo absetzt und neue Führungsfiguren nach vorne rückt, und die neue lepenistische Rechte unter Salvini, die durch aggressive Angstmacherei, Fremdenhass und Ausgrenzung von Minderheiten bereits an Boden gewinnt.