Die PD wählt

Eingepfercht in die Koalition mit der Rechten geht die PD Kompromisse ein, die ihr Profil zunehmend verwischen. Etwas mehr soziale Gerechtigkeit, etwas weniger Umverteilung von unten nach oben – all das scheint auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Im Moment feiert es die PD schon als Sieg, vielleicht einen Haushaltsplan auszuhandeln, der (wie von Brüssel verlangt) die Neuverschuldung nicht über die 3-Prozent-Marke treibt und nicht erneut die Furien der Finanzmärkte weckt. Ein Haushalt, bei dem sich jetzt schon absehen lässt, dass ihm der finanzielle Spielraum fehlt, um wirksam gegen die Arbeitslosigkeit und die sich verbreitende Altersarmut vorzugehen.

Diesen Tätigkeitsnachweis, wenn man ihn so nennen kann, hat die PD derzeit an die Regierung Letta delegiert, während es für ihre Fraktionen in den Parlamentskammern zur Tugend wurde, stillzuhalten, um in der immer wieder beschworenen „Krise“ keine schlafenden Hunde zu wecken. Da gilt es schon als unverantwortlich, wenn jetzt auch von Teilen der PD der Rücktritt der amtierenden Justizministerin gefordert wurde, weil sie sich in ihrer Amtsführung schwerwiegende Fehler leistete. Nicht daran rühren, ist die Devise, sonst bringt ihr die Regierung und die sie tragende Notkoalition in Gefahr.

Politische Lähmung

Das gegenwärtige politische Stillhalten der PD hat einen weiteren Grund: Die Partei ist mit sich selbst beschäftigt, denn in ihr wird zurzeit gewählt: Die Grundeinheiten („Circoli“) wählen ihre Sekretäre und gleichzeitig Delegierte, die ihrerseits die Sekretäre der nächsten Stufe – der Städte und Provinzen – wählen, usw.

Die besondere Bedeutung der diesjährigen Wahlen liegt darin, dass sie auch mit der Wahl eines neuen PD-Generalsekretärs (bei uns: „Parteivorsitzender“) verknüpft sind. Mit einem auf den ersten Blick komplizierten Verfahren: Zunächst wählen die „Circoli“ unter den vorhandenen Kandidaten ihre Favoriten für den Generalsekretär. Und schicken auf dieser Grundlage Delegierte zu einem zentralen Parteikongress, der sog. „Convenzione“ (die „Convention“ in den USA lässt grüßen), die am 24. November stattfindet. Diese wählt unter den vorhandenen (diesmal vier) Kandidaten drei aus, die sich bei den nach außen geöffneten „Primarie“ am 8. Dezember zur Wahl stellen. Und ratifiziert damit eine Entscheidung, die im Grunde schon in den „Circoli“ gefallen ist An der letzten Wahl, die alles entscheidet, nimmt außer den Partei-Mitgliedern jeder teil, der eine kurze Erklärung unterschreibt und 2 € zahlt. Die Parteiführung hofft hier auf die Teilnahme von paar Millionen Wählern.

Der flotte Matteo

Der flotte Matteo

Was der diesjährigen Wahl ihren Unterhaltungswert gibt, ist die Kandidatur von Matteo Renzi, dem Bürgermeister von Florenz, der sich als radikaler Erneuerer der PD präsentiert (vgl. auch das Interview mit ihm in der ZEIT dieser Woche). An ihm scheiden sich in der PD die Geister – vielen Partei-Notablen und -Linken erscheint er als zu oberflächlich und zu „rechts“, um die PD zu führen. Was ihn trotzdem zum Schwergewicht macht, sind seine Umfrage-Werte als Kandidat für den nächsten Ministerpräsidenten (der eigentlich gar nicht zur Wahl steht): Renzi scheint derjenige zu sein, der die nächsten Wahlen gewinnen kann, weil er auch im Zentrum, im rechten Lager und sogar unter Grillo-Anhängern Zuspruch findet.

Ein Zwischenergebnis

Jetzt liegt das Ergebnis der parteiinternen Vorentscheidung über den Generalsekretär vor: 46,7 % für Renzi, 38,4 % für seinen Gegenkandidaten Gianni Cuperlo, 9,2 % für Pippo Civati, der als Dritter im Rennen bleibt. Der vierte Kandidat, der mit seinen 5,7 % am 8. Dezember nicht mehr antreten wird, hat seinen Unterstützern bereits empfohlen, ebenfalls für Renzi zu stimmen – was dessen Stimmenanteil auf über 50 % erhöht.

Die Partei scheint sich also mit Renzi abzufinden. Jedes zweite Mitglied stimmt für einen Mann, der in der Partei eher Außenseiter ist, aber viel von Transformation und Modernisierung spricht. Seine Zustimmungswerte bei den Primarie am 8. 12. werden noch höher ausfallen. Andererseits fuhr er unter den PD-Mitgliedern auch keinen Erdrutschsieg ein. Ein Ergebnis, dem man vielleicht eine gewisse „Weisheit“ zusprechen kann.

Man hört häufig die Meinung, dass die Partei dringend eine „Revolution von unten“ braucht. Unter anderem mit der Begründung, dass in ihr gegenwärtig nur noch die „Strömungen“ – bei uns würde man sagen: Seilschaften – und nicht mehr Personen und Mitglieder zählen. Ob Renzi der richtige Mann ist, um daran etwas zu ändern, wird sich zeigen.

Alte Krankheiten

Der bisherige Verlauf dieser November-Wahlen zeigte auch, dass die PD weiterhin alte Krankheiten mit sich fortschleppt. Es ist üblich, bis zum letzten Moment vor den Wahlen neue Mitglieder aufzunehmen. An einigen Orten ereignete sich das Wunder, dass unmittelbar vor den Abstimmungen unbekannte Leute auftauchten, die plötzlich ihr Interesse an einer Mitgliedschaft in der PD entdeckten, und zwar in einer solchen Anzahl, dass sich manchmal die Größe der Sektionen auf einen Schlag verdoppelte oder sogar verdreifachte. Um dann geschlossen für einen lokalen Sekretär zu stimmen. In manchen Fällen hatten sie sogar schon den Namen des Generalsekretärs in der Tasche, für den sie stimmen würden.

Auch diese Tradition gehört zu Italien: Wo es um Macht geht und Wahlen stattfinden, gibt es Stimmenkauf. Sie macht auch vor der PD nicht Halt. Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, dass ihre internen Kontrollinstanzen schon in einigen Circoli und Kommunen die Ergebnisse der Abstimmungen annullierten und diese Möglichkeit in anderen überprüfen.

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