Der Papst als Geisterfahrer

„Wer sind bloß die zwei Verrückten, die verkehrt herum in der Einbahnstraße fahren, auch noch ohne Sicherheitsgurt?!“ riefen vor ein paar Tagen Angehörige der päpstlichen Garde im Vatikan beim Anblick eines alten R4 und liefen in heller Aufregung hinterher. Und staunten nicht schlecht, als sie die Insassen erkannten: auf dem Beifahrersitz – nicht angeschnallt – Papst Franziskus höchst persönlich, am Steuer ein gewisser Don Renzo Zocca, Pfarrer aus Verona.

Schicker Wagen, oder?

Schicker Wagen, oder?

Die Vorgeschichte: Franziskus hatte irgendwann mal erklärt, dass Priester – somit auch Bischöfe, Kardinäle und auch der Papst selbst – keine Luxuswagen fahren sollten, das passe nicht zu einer Kirche der Armen. Ihre Vertreter müssten selbst arm sein. Das gefiel Don Zocca gut und er kam auf die Idee, seinen alten R4 – 30 Jahre alt und 300.000 Km auf dem Buckel – dem Papst (allerdings mit neuem Motor) in einem Brief als Geschenk anzubieten. Eigentlich war es mehr als symbolische Geste des Danks für die päpstlichen Worte gedacht. Nach ein paar Tagen klingelte sei Handy: „Hallo, guten Tag, hier ist Papst Franziskus“. „Gelobt sei Jesus Christus!“ rief der verdutzte Pfarrer als Antwort – und der Deal wurde abgeschlossen. Begleitet von einigen Mitgliedern seiner Kirchengemeinde fuhr Don Zocca nach Rom und überreicht den Wagen dem Papst, der den weißen R4 jetzt für seine Fahrten innerhalb des Vatikans nutzt – und manchmal selbst fährt, so wie neulich anlässlich des Friedensgebets für Syrien („Der R4 ist ein guter Wagen, ich hatte so einen auch in Buenos Aires und er hat mich nie in Stich gelassen“).

„Vai, vai, che qui si può“

Und so kam es, dass während der Probefahrt Don Zocca von Franziskus innerhalb des Vatikans souverän – und etwas anarchistisch – dirigiert wurde: „Aber Eure Heiligkeit, da darf ich nicht hineinfahren, es ist Einbahnstraße, falsch herum!“ Darauf der Papst ganz gelassen: „Doch doch, du darfst, fahr ruhig! Hier kommt sowieso nie einer vorbei!“

Der Papst als Geisterfahrer? Nicht unpassend, finde ich. Wenn einer Geisterfahrer sein darf, dann er, schließlich obliegt ihm dafür die oberste Zuständigkeit, oder?

Jedenfalls hört Franziskus nicht auf, uns mit großen und kleinen Überraschungen zu erfreuen. Sein offener Antwortbrief an den „Nichtgläubigen“ Eugenio Scalfari, namhafter Journalist und Gründer der Tageszeitung „La Repubblica“, der über die Zeitung einige Fragen an ihn gerichtet hatte, ist eine große Überraschung. Sein erfrischender Umgang mit den vatikanischen Regeln – nicht nur im Straßenverkehr – enthält kleine, aber nicht weniger bedeutsame Überraschungen. Zwar stehe ich, insbesondere nach zwanzig Jahren Berlusconismus, Regelübertretungen grundsätzlich ablehnend gegenüber, aber ich finde: der Vatikan kann ein paar gut gebrauchen …

Schon seine ersten Worte nach der Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche waren ein Signal der Veränderung: Mit einem wenig hierarchischen „Buonasera“ begrüßte Franziskus – die Arme nicht feierlich ausgebreitet, sondern schlicht an den Seiten herabhängend – die auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen und die Millionen Menschen in der ganzen Welt, die an diesem Abend vorm Fernseher saßen. Guten Abend, guten Morgen, Welt. Du wirst vermutlich noch ein paar weitere Überraschungen durch diesen Papst erleben. Fürchte Dich nicht davor, sei offen dafür.