Videobotschaft an das Volk

Im Folgenden dokumentiere ich auszugsweise – mit kurzen Kommentaren meinerseits – die Videobotschaft, die Berlusconi am 31. Juli abends, wenige Stunden nach dem Urteil, ausstrahlen ließ.

Frontal gegen die Justiz

Frontal gegen die Justiz

„Das heutige Urteil bestätigt meine Auffassung, dass ein Teil der Richterschaft ein unverantwortlicher Akteur geworden ist, unkontrollierbar und unkontrolliert, mit Richtern, die nicht vom Volk gewählt wurden, aber sich zur eigentlichen Staatsmacht erhoben haben. Diese neue und grenzenlose Staatsmacht drückt dem politischen Leben Italiens permanent ihren Stempel auf, von Tangentopoli bis heute“.

Die feierliche Sprache eines definitiven Urteils über die Justiz. Dass sie es wagt, mich, den früheren Ministerpräsidenten, zu verurteilen, bedeutet, dass sie die grenzenlose Staatsmacht usurpiert. Nur einer kann kommandieren, eine Teilung der Gewalten gibt es nicht. Entweder die Justiz oder ich. „Richter, die nicht vom Volk gewählt wurden“: Wen das Volk wählt, steht über dem Gesetz. Dann der Kontext, in dem B. seine Prozesse sieht: Tangentopoli.

„In den Jahren 92-93 begann ein Teil der Richterschaft eine gezielte und abwegige Aktion, die sich eine Rolle der angeblichen moralischen Erneuerung anmaßte… und dabei die fünf demokratischen Parteien samt Führern außer Gefecht setzte, welche mehr als ein halbes Jahrhundert lang Italien regierten und trotz einiger Schatten den Wohlstand sicherten und Freiheit und Demokratie gegen die kommunistische Gefahr verteidigten… Womit man glaubte, der Linken den Weg zur endgültigen Machtübernahme geebnet zu haben. Bis ein bis dahin unbekannter Signore, ein gewisser Silvio Berlusconi, auf die Bühne trat, um die Machtübergabe an die Kommunistische Partei zu verhindern. Und der nach zwei Monaten die Wahl gewann und die Regierung des Landes übernahm. Das war der Moment, der den ununterbrochenen Angriff der Richterschaft gegen ihn entfesselte“.

Das ist die große Erzählung, die B. seinen Anhängern einhämmert. Der globale Zweikampf zwischen Freiheit und Kommunismus geht weiter, der Kommunismus giert immer noch nach „endgültiger Machtübernahme“. Bei Tangentopoli war die Korruption der Parteien (wie seine Korruption heute) nur Vorwand. In Wahrheit war es die gezielte Aktion roter Staatsanwälte, um die noch bis 1993 regierenden Mitte-Rechts-Parteien zu zerschlagen und stattdessen die Kommunistische Partei (die es damals schon gar nicht mehr gab, H.H.) an die Macht zu bringen. Dann kam B., der Retter. Er siegte, seitdem verfolgen ihn die roten Togen.

Als Unternehmer sei er „stolz darauf, aus eigener Kraft eine Unternehmensgruppe geschaffen zu haben, in dem Tausende von Mitarbeitern Arbeit fanden, und niemals einen einzigen von ihnen entlassen zu haben. Ich bin stolz darauf, zum Reichtum des ganzen Landes beigetragen zu haben, indem ich Zigmilliarden Steuern zahlte und mit meinen Fernsehsendern nicht nur zum Wachstum italienischer Unternehmen, sondern auch zu größerer Informationsfreiheit und –pluralität beitrug“.

Das Argument, dass auch die Mafiosi vortragen: Arbeitsplätze. Erstaunlich, wie viele Nebenprobleme er bei der Gelegenheit mit erledigt. „Aus eigener Kraft“: Den Aufbau seines Imperiums, sagen böse Zungen, begann er mit gewaschenen Mafia-Geldern. Dann kam die Protektion von Craxi. Als Tangentopoli Craxi zu Fall brachte, ging B. selbst in die Politik, der Geschäftsmann B. wurde zum Protegé des Politikers B. Sein Vermögen vervielfachte sich weiter. „Zig-Milliarden gezahlter Steuern“ besagt: Die hinterzogenen Millionen, derentwegen ich verurteilt wurde, sind ein Nichts. „Mit meinen Fernsehsendern trug ich zu Informationsfreiheit und –pluralität bei“. Schamloser geht es nicht: Erst schuf er sich das private Fernsehmonopol, dann, als er politisch freie Bahn hatte, vereinnahmte er auch das öffentliche Fernsehen. B. auf allen Sendern, das ist seine Pluralität.

Als Politiker habe er „zur Modernisierung unseres Landes beigetragen und mit all meiner Kraft versucht, die liberale Revolution zu verwirklichen“.

Seine „liberale Revolution“ war ein warmer Regen von Gesetzen „ad personam“, zum Wohle seiner Geschäfte und seiner Freiheit, ungestraft Steuern zu hinterziehen, Bilanzen zu fälschen und Richter zu bestechen. Wenn B. von Freiheit spricht, meint er seine Freiheit.

„Wir leben in einem Land, das keine Gerechtigkeit üben kann, vor allem nicht gegenüber ehrlichen Bürgern, die wie ich immer ihre Pflicht taten, sowohl beruflich wie auch im öffentlichen Leben“. Ausgerechnet ihn versuche man mit „inhaltslosen Anklagen“, „Prozessen ohne Basis“, „Aggressivität“ und „juristischer Verbissenheit“ auszuschalten. „Ist das die Art, wie Italien das Opfer und den Einsatz seiner besten Bürger belohnt? Ist das das Italien, das wir lieben? Ist das das Italien, das wir wollen?“.

Der hohe Jammerton des unschuldigen Opfers, seine Lieblingsrolle. Aber der Staatsmann blickt nach vorn:

„Nein, sicher nicht. Deshalb müssen wir unseren Kampf für die Freiheit fortsetzen, indem wir nicht das Feld räumen und mit den besten jungen Leuten und Energien wieder Forza Italia errichten. Wir sagen den Italienern, dass wir die Mehrheit brauchen, um das Land zu modernisieren und mit DER Reform zu beginnen, die am allerwichtigsten ist, der Reform der Justiz. Um nicht mehr ein Land zu sein, in dem es absolut willkürlich ist, wer der schlimmsten aller Gewalten ausgesetzt wird, nämlich dem Menschen die Freiheit zu nehmen … Wir müssen aus Schlechtem Gutes machen… Wenn wir jetzt gemeinsam zusammenstehen, werden wir die wahre Freiheit zurückgewinnen, für uns und unsere Kinder. Es lebe Italien. Es lebe Forza Italia!“

Darin gipfelt seine Botschaft: Er bleibt auf dem „Feld“ und beschwört mit der Rückkehr zur alten „Forza Italia“ den politischen Neuanfang. Wozu? Um gegen die Justiz zu kämpfen. Für sich, für seine Kinder will er die Freiheit zurückgewinnen, die Freiheit der ungestraften Korruption. Zwar vergisst er in der Aufregung das Stichwort, mit dem er die nächste Wahl gewinnen will: runter mit den Steuern! Er wird sich schnell wieder daran erinnern. Und nicht erwähnen, dass es Betrüger wie er sind, welche Steuersenkungen verhindern.

Berlusconi ist weder ein „Clown“ noch einfach ein überführter korrupter Straftäter, sondern ein demagogischer Lügner mit großer Medienmacht. Er fälscht systematisch die Geschichte und mobilisiert ein Drittel des italienischen Volkes gegen den Rechtsstaat. Noch bleibt er Italien erhalten – sollte er einmal abtreten, wird sein Erbe vergiftet sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Ich akzeptiere die Datenschutzbedingungen.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.