Berlusconis PdL probt die Regierungskrise

Es ist noch nicht die definitive Krise der Regierung Monti, auf die ihr sofortiger Rücktritt folgen müsste, aber es ist ein Schritt davor. Denn die PdL verkündete Donnerstag im Senat, sich ab sofort gegenüber den Gesetzesdekreten der Regierung zu enthalten. Und die PdL-Fraktion im Parlament werde Gleiches tun.

Kontraproduktiv

Kontraproduktiv

Die PdL begründet dies mit ihrer Empörung über Entwicklungsminister Passera, der im Fernsehen gefragt wurde, was er von der Ankündigung Berlusconis halte, wieder als Spitzenkandidat der PdL in die nächste Wahl zu gehen. Passera antwortete: „Jedes Signal, das im Ausland den Eindruck erweckt, dass Italien nicht mehr weitere Schritte nach vorne, sondern stattdessen wieder zurückgeht, wäre kontraproduktiv“. Bei den PdL-Abgeordneten brach die Hölle los, wobei ihnen offenbar entging, dass Passera nur eine Banalität gesagt hatte – besser ein Schritt voran als ein Schritt zurück -, und sie selbst es waren, welche die Rückkehr von B. wie selbstverständlich mit „Rückschritt“ gleichsetzten.

Aber so an den Haaren herbeigezogen die Begründung auch ist – als Signal dafür, dass B. jetzt der Regierung Monti noch vor Ablauf ihrer normalen Amtsperiode „den Stecker rauszieht“, ist es ernst zu nehmen. Denn da seine PdL in beiden Kammern immer noch die größten Fraktionen stellt und somit über die Regierung Monti mitentscheidet, wäre ihre zukünftige Enthaltung gleichbedeutend mit dem Vertrauensentzug – die Regierung hätte keine Mehrheit mehr und müsste ihren Rücktritt einreichen.

Was steckt dahinter

Die Frage stellt sich, welches Kalkül in Wahrheit dahinter steht. Und es zeigt sich, dass B. – dem gegenwärtig fast alle Felle davonschwimmen – für die sofortige Auslösung der Krise Gründe hat, die ihm persönlich wohl stichhaltig erscheinen:

  1. Erstens ein wahltaktischer Grund: B. möchte um jeden Preis verhindern, dass es im Februar zu Wahlen in den Regionen Latium, Lombardei und Molise kommt, wo die PdL- Regierungen über Korruptionsskandale stürzten oder ihre Wahl annulliert wurde, und dass dann erst zwei Monate später, nach Ablauf der vollen Amtszeit von Parlament und Senat, die nationale Wahl stattfindet. Denn B. geht wohl zu Recht davon aus, dass die Regionalwahlen für die PdL so disaströs ausfallen, dass sie seiner Anhängerschaft die Laune verhageln, bevor sie zur nationalen Wahl gehen. Aber um stattdessen einen großen „election day“ zu erzwingen, an dem alles gleichzeitig erledigt wird, muss er der Regierung Monti schon jetzt den Todesstoß geben.
  2. Wenn er bzw. seine PdL es ist, welche der Regierung Monti vorzeitig das Vertrauen entzieht, könnte es ihm vielleicht doch noch gelingen, den verbreiteten Unmut über ihre Sparmaßnahmen im letzten Moment auf die eigenen Mühlen zu lenken. Er würde sich dann als derjenige zu profilieren, der dem Land die Rückkehr zu Wachstum und Wohlstand verspricht – gegen Brüssel, „die Merkel“ usw.

Weitere Gründe

  1. Wenn B. der Regierung Monti schon jetzt den Todesstoß versetzt, bleibt zu B.s Glück keine Zeit, um ein neues Wahlgesetz auf den Weg zu bringen, und es müsste beim geltenden „Porcellum“ („Schweinegesetz“) bleiben. Inzwischen ist B. offenbar überzeugt, dass dies für seine Interessen immer noch am günstigsten ist, auch dann, wenn es dem Mittelinks-Bündnis im Parlament die „Mehrheitsprämie“ und damit die absolute Mehrheit bescheren sollte. Denn es würde B. weiterhin die absolute Kontrolle über die Benennung der PdL-Kandidaten garantieren. Außerdem würde es dem sich gerade formierenden neuen Zentrum die Rolle des Züngleins an der Waage bzw. des Mehrheitsbeschaffers nehmen – eine Rolle, aus der die Protagonisten des Zentrums Kraft zu schöpfen hofften, weshalb sie auf ein Verhältniswahlrecht mit möglichst geringen „Prämien“ drängten.
  2. Überhaupt dieses neue Zentrum, in dem sich derzeit so viel bewegt: Durch eine vorgezogene nationale Wahl könnte seine rechtzeitige Formierung, die mit Sicherheit ein paar weitere Monate erfordern würde, verhindert werden (es gibt dafür zwei Anläufe, die erst noch zusammengeführt werden müssen). Denn es ist B. bisher nicht gelungen, bei dieser Formierung einen Fuß in die Tür zu bekommen. So tritt neben das Ziel, den Mittelinks-Sieg zu verhindern, mit mindestens gleicher Priorität das Ziel, die Formierung des Zentrums zu unterlaufen – einerseits durch Manipulation des Wahltermins, anderseits durch ein Wahlgesetz, das den politischen „Bipolarismus“ (ohne dritte Kraft im Zentrum) erzwingt.
  3. Schließlich gibt es noch einen letzten Grund, um die Konfrontation mit dieser Regierung auf die Spitze zu treiben. Ebenfalls am Donnerstag hat Montis Ministerrat das Einbringen eines Gesetzes beschlossen, welches es verurteilten Gesetzesbrechern ab einer bestimmten Strafhöhe verbietet, Abgeordnete sein zu können. Ein Gesetz, welches B. und die gesamte PdL – keineswegs grundlos! – als direkten Angriff auf sich selbst verstehen. Vielleicht hat Di Pietro mit der Vermutung Recht, die er Donnerstag im Parlament äußerte: Dass die PdL gegenüber der Regierung Monti vorerst nicht die Ablehnung, sondern die Enthaltung wählte, erklärt sich aus dem Bestreben, gegen dieses Gesetz ein letztes Druckmittel in der Hand zu behalten.

Letztlich geht es B. darum, im Spiel zu bleiben. Auch um den Preis, dass er dabei mit dem Schicksal Italiens – und Europas – va banque spielt. Als erste Reaktion auf die Ankündigung, die PdL werde sich gegenüber der Regierung Monti enthalten, stieg der „Spread“, das Krisenthermometer für das Vertrauen der Finanzmärkte, wieder von knapp 300 auf 330.


Letzte Meldung vom 7. 12., nachmittags:

Inzwischen ist die Regierungskrise da. Im Namen seiner Fraktion hat der Generalsekretär der PdL, Alfano, heute im italienischen Parlament das „Experiment Monti für beendet“ erklärt. Seine Begründung macht klar, mit welcher Linie Berlusconis PdL in den nun beginnenden Wahlkampf geht: aus allen Rohren gegen die Sparpolitik Montis zu schießen, und zu hoffen, damit die eigene Verantwortung für die gegenwärtige Krise Italiens vergessen zu lassen.

Jetzt muss Staatspräsident Napolitano entscheiden, wie es weiter geht. Die beste Lösung wären sicherlich schnelle Neuwahlen, je früher desto besser.

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