(K)ein verrücktes Tänzchen

Ja, nein, doch, vielleicht, ein Schritt nach vorne, einer zurück … Seit der Ankündigung seiner erneuten Kandidatur vergeht kein Tag, ohne dass B. die eigenen Aussagen zurücknimmt, relativiert, vernebelt, wieder bekräftigt – um am nächsten Tag das Spiel wieder von vorn anzufangen.

Nachdem er Monti zum Rücktritt gezwungen, als Grund für seine eigene Kandidatur Montis „philogermanische Politik“ genannt und die Bilanz von dessen Regierung als Katastrophe für Italien bezeichnet hatte, erklärte B. den verdutzten Journalisten nun: „Wenn Monti als Spitzenkandidat des ganzen Mitterechts-Spektrums antritt, ziehe ich mich selbstverständlich gerne zurück!“. Um die Verwirrung komplett zu machen, setzte er ein paar Minuten später hinzu, übrigens sei auch Angelino Alfano (der armselige PdL-Generalsekretär, den er öffentlich gedemütigt und demontiert hat) ein prima Kandidat („in pole position!“). Und auf die abschließende Frage eines Journalisten, ob das nun alles bedeute, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe, antwortete er pikiert: „Aber das habe ich doch gar nicht gesagt! Politik ist nicht so einfach, wie Sie sich das vielleicht vorstellen!“.

Ein Fall für den Psychiater?

Ist der Alte nun völlig senil geworden? Komplett durchgedreht, unzurechungsfähig? Ein Fall für die Psychiatrie? Kommentatoren im In- und Ausland fassen sich an den Kopf. Doch um B.s Geisteszustand müssen wir uns keine Sorgen machen (um Italien und Europa allerdings um umso mehr). Denn er weiß, was er tut.

Er weiß, dass er nicht mit einem politischen Sieg bei den anstehenden Parlamentswahlen rechnen kann. Und zwar endgültig, seitdem die von ihm hofierte Lega-Nord durch Parteichef Maroni ihn wissen ließ: „Bündnis mit der PdL? Vielleicht, aber nur, wenn Du nicht kandidierst, ansonsten hacken mir meine eigenen Leute den Kopf ab“.

Was bezweckt er aber, wenn er nicht gewinnen kann? Folgendes: Er möchte – er muss – „im Spiel bleiben“: entweder als Spitzenkandidat der PdL oder wenigstens als Strippenzieher eines Mitterechts-Bündnisses mit einem anderen Kandidaten. Vor allem muss er verhindern, dass sich als Alternative für konservative Wähler ein gefestigtes Zentrum herausschält, welches nach den Wahlen gemeinsam mit dem Linksbündnis PD-SEL eine stabile Regierung bildet.

B. will zurück - aber Italien will ihn nicht

Es geht wie immer um seine Haut

B.s Hauptziel muss es heute sein, Italien unregierbar zu machen. Dass nebenbei Europa destabilisiert würde, ist ein wahltaktisch willkommener Kollateraleffekt. Geleitet wird er dabei nicht von einer politischen Vision oder einem Programm, sondern von seinen persönlichen Interessen. Deshalb betrat er 1994 die politische Bühne, das war das Leitmotiv seiner desaströsen Regierungszeit in den letzten zwanzig Jahren und das ist der Antrieb seines Handelns jetzt, wo er weiß, dass er ausgespielt hat. Er sei aus Liebe zu Italien in die Politik gegangen und aus Liebe zu Italien vor einem Jahr zurückgetreten. Aus Liebe zu Italien wolle er nun auch wieder kommen – oder auch nicht, mal sehen, wie es läuft. Die schlichte Wahrheit ist, dass Italien und das italienische Volk ihm schnuppe sind. Europa sowieso. Seine laufenden Gerichtsverfahren und das Schicksals seines Mediaset-Imperiums sind die wirklichen Alpträume, die ihn bedrücken. Und ihn zwingen, im politischen Geschäft zu bleiben – und Zeit zu gewinnen.

Anmerkung zum Schluss

Obwohl nach Lage der Dinge alles dafür spricht, dass B. – der auch im eigenen Lager immer isolierter ist – diesen letzten Kampf verlieren wird: Eine Gefahr birgt seine Verwirrtaktik doch, nämlich dass Öffentlichkeit, Medien und politische Gegner sich im kommenden Wahlkampf völlig auf ihn fixieren. Denn wenn es etwas gibt, das B. souverän beherrscht, dann sind es Medienpräsenz, Wahlkampf mit einfachen Botschaften, Inszenierung von Charisma und populistische Rhetorik. Da ist er absoluter Profi.

Sollten die Medien und die politischen Kontrahenten in diese Falle gehen, sind böse Überraschungen alles andere als ausgeschlossen. Die Parteien der politischen Alternative – allen voran die PD – dürfen sich nicht auf B.s Spiel einlassen, sie müssen selbst die Agenda für die Zukunft Italiens diktieren und die Themen in den Mittelpunkt stellen, die für die Menschen wichtig sind: soziale Gerechtigkeit, moralische Erneuerung, wirtschaftliche Stabilität gepaart mit Wachstumsimpulsen, Entwicklung von Bildung und Forschung und Investitionen in die Zukunft der Jugend.

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