Vergiftete Option

Die UDC verkündet, sie strebe nach der nächsten Wahl ein „Monti 2“ an, die von einer Koalition der „nationalen Verantwortung“ getragen wird – wenn schon nicht mit Monti (der bisher versichert, nicht wieder antreten zu wollen), dann doch mit möglichst vielen von seiner Ministerriege. Auf jeden Fall mit der gleichen Koalition, auch wenn sich dann die Kräfteverhältnisse verschieben dürften: mit der PdL nur noch als zweitstärkster Kraft.

Die UDC hat dabei auch eigene Interessen im Auge: Obwohl sie es nach gegenwärtiger Prognose nur auf ca. 7 % bringen wird, hätte sie in einer solchen Koalition eine komfortable Schlüsselposition. Würde sie stattdessen ankündigen, in ein erweitertes Mittelinks-Bündnis einzutreten, wie es die PD anbietet, würde ihr das Wählerstimmen aus dem katholisch-konservativen Lager kosten. Außerdem kann sie so ihr Eigeninteresse zum italienischen Gesamtinteresse überhöhen: Die Situation des Landes bleibe weiterhin hochgradig gefährdet, und da müsse es eben – für Brüssel, für Berlin, für die Finanzmärkte – weiterhin eine solche große Koalition der Verantwortung geben.

Eine Große Koalition wäre B.s zweite Chance…

Ein unverbesserlicher Optimist würde nun vielleicht auf folgendes Szenario setzen: Die Aussicht auf eine Neuauflage der Großen Koalition beschleunigt die Spaltung der PdL. Und diejenigen Kräfte, die in ihr zu den „Gemäßigten“ zählen und noch eines eigenen Gedankens fähig sind – wie z.B. der frühere Außenminister Frattini – werden zu Mitträgern einer von der UDC geführten zentristischen Sammlungsbewegung. Während sich der politische Ballast, den die PdL noch mit sich herumschleppt, seitwärts in die Büsche schlägt – von den ehemaligen Mitgliedern der neofaschistischen AN, die immer noch von gestern träumen, bis zu Berlusconi selbst.

Leider zeigt sich schon jetzt: Das ist Wunschdenken. Denn B. hat längst durchblicken lassen, dass er die Idee eine Neuauflage der gegenwärtigen Koalition gar nicht schlecht findet – obwohl er natürlich „offiziell“ immer noch einen erneuten Wahlsieg erwartet. Aber für den Fall, dass er diesmal gegenüber der PD den Kürzeren zieht – was er wohl auch selbst erwartet -, möchte er einen Plan B haben, der ihn weiterhin im Spiel hält. Das bliebe er auch als Chef der zweitgrößten Fraktion, welche die nächste Regierung trägt. Und da nun einmal die Gerichte hinter ihm her sind, bliebe ihm noch ein Zipfel schützender Macht.

Das aber heißt: Nach Lage der Dinge wäre auch die nächste „Große Koalition“ nur wieder mit B. zu haben – und damit mit einer PdL ohne den Erneuerungsprozess, auf die unser Optimist eigentlich hoffen möchte.

…aber Italiens Sanierung wäre auf Sand gebaut

Ernesto Galli della Loggia: Berlusconi eine historische Notwendigkeit

Womit wir nicht mehr an der Frage vorbeikommen, was diese PdL eigentlich ist. Vor gut zwei Jahren überraschte ein intellektueller Vordenker der italienischen Rechten, Galli della Loggia, in „Lettre Internationale“ mit der tiefsinnigen These, trotz aller seiner Schwächen sei Berlusconi eine „historische Notwendigkeit“ gewesen, weil er es geschafft habe, das rechte Lager zu einen (siehe unsere damalige Erwiderung in der „Dokumentation“). Aus den Trümmern der Democrazia Italiana und aus den Neofaschisten habe er eine neue konservative Partei geschmiedet und damit Italien in den Zustand einer reifen Demokratie überführt. Heute zeigt sich, dass Della Loggia schon deshalb einer Schimäre aufsaß, weil die PdL von einer konservativen Partei meilenweit entfernt ist. Sie ist der Wahlverein eines charismatischen Populisten, ein Haufen korrupter Glücksritter und blinder Gefolgsleute, ohne Profil und ohne Werte, eine Amöbe, deren einziger Kern nur ER ist, der Leader. Statt einer konservativen Partei ist sie ihr Surrogat, eher ein Mittel zu ihrer Verhinderung. Das sich erst auflösen wird, wenn B. nicht nur die bevorstehende Wahl verliert, sondern sich damit auch wirklich von der politischen Macht verabschieden muss.

Was Italien erwartet, wenn die gegenwärtige Koalition auch nach der Wahl fortgesetzt würde, lässt sich an dem ablesen, was schon die gegenwärtige Koalition nicht zustande bringt. Nur ein Beispiel: Alle Welt weiß dass Italien zu seiner Sanierung ein wirksameres Gesetz gegen die Korruption braucht. Die PdL verhindert es, weil es B. verhindert – aus durchsichtigem Grund. Würde die „Große Koalition“ verewigt, bliebe die Sanierung Italiens auf Sand gebaut.

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