Sieg auf wackligen Beinen

Die Kommunalwahlen dieses Frühjahrs, bei denen etwa 9 Mio. Italienerinnen und Italiener wahlberechtigt waren und die jetzt mit den Stichwahlen für das Bürgermeister-Amt endeten, haben gezeigt, dass die populistische Rechte in Italien keine politische Mehrheit mehr hat. Das ist für Italien nicht selbstverständlich, und dafür sollte man ruhig eine Schweigeminute einlegen.

Aber wie steht es um die demokratische Linke? Auf den ersten Blick hat sie gesiegt. Bei den letzten Gemeindewahlen hatte sie in nur 45 von 177 Gemeinden eine Mehrheit, jetzt in 92. PdL und Lega erlebten ein neues Debakel. Aber je genauer man hinschaut, desto deutlicher wird, dass auch Mittelinks in der Krise ist. Ein Indiz ist die Flucht der Wahlberechtigten in die Enthaltung (bei den Stichwahlen wählte nur noch jeder zweite Wahlberechtigte) oder zu Beppe Grillos „5-Sterne-Bewegung“. Bisher schien beides die Rechte stärker zu betreffen als Mittelinks. Aber es hat offenbar auch die PD erfasst, die gegenwärtig die stärkste Kraft des gesamten Parteienspektrums und die mit Abstand größte Partei von Mittelinks ist.

Die Krise der PD verdeutlichen zwei spektakuläre Niederlagen bei den Stichwahlen:

In Palermo veranstaltete Mittelinks eine Vorwahl (Primarie), bei der es möglicherweise nicht mit rechten Dingen zuging. Denn dort gewann ein Kandidat, der von einem Parteiflügel der PD unterstützt wurde, dem über zwei Ecken Verbindungen zur Mafia nachgesagt werden. Als weder die regionale PD noch die PD-Zentrale das Ergebnis annullierten, warf sich der frühere Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, in die Bresche und kandidierte „regelwidrig“ fast im Alleingang (nur Di Pietros IdV unterstützte ihn). Gegen den offiziellen Mitte-Links-Kandidaten gewann er die Stichwahl mit über 70 % der abgegebenen Stimmen.

Das zweite Beispiel, das in ganz Italien großes Aufsehen erregt, ist Parma. Hier lag nach der ersten Wahlrunde der Mittelinks-Kandidat (PD) mit 40 % in Front und sein Stichwahl-Gegner, ein „Grillino“, bei scheinbar aussichtslosen 20 %. Worauf Grillo eine auf Parma konzentrierte Kampagne startete, mit unerwartetem Ergebnis: In der Stichwahl blieb der PD-Kandidat bei seinem 40 %-Anteil, und 60 % stimmten für den Grillo-Mann. Offenbar stimmte auch ein großer Teil der rechten Wählerschaft, die keinen eigenen Kandidaten mehr im Rennen hatte, für den Grillo-Mann.

Woher kommen diese Einbrüche? Einerseits liegt es wohl an der Profillosigkeit der PD. Ihre gegenwärtige Unterstützung der Regierung Monti zeigt die Bereitschaft, auch in schwierigen Momenten Verantwortung für das Ganze zu übernehmen. Aber ein rigider Sparkurs mobilisiert nicht, und auch der Zusatz „Crescita“ (Wachstum) stiftet keine Identität. Die wichtige Frage, mit wem die PD bei den kommenden Wahlen ein Bündnis eingehen will, schiebt sie immer weiter hinaus. Sie möchte sich sowohl nach links als auch Richtung Zentrum alles offen halten, am liebsten wäre ihr wohl die Option „sowohl-als-auch“.

Andererseits zeigt die PD eine schon fast konstitutionelle Unfähigkeit zur Erneuerung. Schon die Kommunalwahlen vor einem Jahr, vor allem in Mailand und Neapel, offenbarten die angestaute Sehnsucht der „Basis“ nach politischen Repräsentanten, die unverbraucht und nicht korrupt sind und den eigenen Einsatz lohnen. Entgegen allen Kassandrarufen über die Entpolitisierung der „Jugend“ zeigte sich eine Bereitschaft zur Partizipation, die nur noch nach Entfaltungsmöglichkeiten suchte (der Erfolg von Grillos „5-Sterne-Bewegung“ ist ein perverser Reflex dieses Wunsches).

Wenn die PD nach Beweisen für ihren Erneuerungswillen gefragt wurde, verwies sie bisher vor allem auf die von ihr unterstützten Vorwahlen (Primarie). Palermo zeigt, dass sie dieses Mittel verhunzen könnte. Sie hat es zugelassen, dass sich in Sizilien ein Teil der PD mit dem zwielichtigen Lombardo verbündete, gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Mafia-Kontakten ermittelt. Die „Primarie“ ermunterten die Lombardo-Fraktion in der lokalen PD zu dem Versuch, Einfluss auf die Auswahl des Bürgermeister-Kandidaten zu nehmen. Woraufhin sich ein Teil der nationalen PD-Führung aus falscher Prinzipientreue dazu verpflichtet sah, das Ergebnis der Primarie zu respektieren, obwohl es „vergiftet“ war. Sie unterstützte einen Kandidaten, vor dem die Bevölkerung – zum Glück! – davon lief. Das Ende vom Lied: Die PD stand im Abseits.