„Es hängt von uns ab“

„Dipende da noi“ („Es hängt von uns ab“) heißt die Überschrift eines Manifestes der Vereinigung „Libertà e Giustizia“. Die zivilgesellschaftliche Organisation „Libertà e Giustizia“ ist seit 10 Jahren in Italien aktiv, zu ihren Repräsentanten zählen Persönlichkeiten wie der Verfassungsrechtler Gustavo Zagrebelsky und der Schriftsteller Umberto Eco. Die Vereinigung ist überparteilich, ihre Initiativen zielen auf die Verteidigung von „Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit“, was sie in der Vergangenheit immer wieder auf scharfen Kollisionskurs zu B. und seiner Regierung brachte. Doch auch nach dem Regierungswechsel verfolgt „Libertà e Giustizia“ mit unverminderter Wachsamkeit die politische Entwicklung in Italien.

Das Manifest „Dipende da noi“, das am 12. März auf einer Veranstaltung in Mailand vorgestellt wurde, ruft zu einer „Neugründung der Politik“ und zu einer „Wiederversöhnung zwischen Politik und Bürgern“ in dieser für Italien schwierigen Übergangsphase auf. Erste Voraussetzung dafür sei die konsequente Befreiung der Politik vom Krebsgeschwür der Korruption, von dem alle politischen Parteien – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – befallen seien.

„Libertà e Giustizia“ hält die „technische Regierung“ zwar für notwendig und unvermeidlich, aber sieht in ihr auch einen Beleg für die Schwäche der Politik und den Glaubwürdigkeitsverlust der Parteien. „Eine notwendige Medizin, die kurieren, aber auch tödlich vergiften kann“. Denn nicht nur Populismus und Demagogie, sondern auch das Primat der „Technik“ vor der Politik könnten die Demokratie gefährden und zur „antipolitischen“ Entfremdung der Bürger führen. „Ohne Politik kann es keine Freiheit und keine Demokratie geben; und ohne Demokratie wird es nur Lösungen geben, die nicht auf freiem Konsens sondern auf Zwang gründen.“

Das Plädoyer von „Libertà e Giustizia“ für ein neues Primat der Politik ist zugleich ein Plädoyer für ein neues Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und politischen Parteien. Dieses sei nur möglich, wenn die Parteien auch zu einer Erneuerung „von innen“ bereit und fähig seien. Diejenige Politiker, die integer sind, müssten offensiv die Korruption in den eigenen Reihen bekämpfen und mit dem Schweigen aus parteipolitischer Opportunität brechen.

„Schmutzige Hände heißt schmutzige Politik. Korrupte Hände heißt korrupte Reformen“, sagte Zagrebelsky in Mailand. Es sei erschreckend, dass nach neueren statistischen Umfragen nur ca. 8 % der Bürger Vertrauen in Politiker und Parteien haben. Die noch relativ hohe Wahlbeteiligung stehe dazu nicht in Widerspruch, denn die meisten Bürger würden nicht „für“, sondern eher „gegen“ die eine oder die andere Partei wählen.

Oberste Priorität auf der politischen Agenda haben nach „Libertà e Giustizia“ daher ein wirksames Antikorruptionsgesetz, ein neues Parteiengesetz und ein demokratisches Wahlgesetz. Dafür seien eine breite Mobilisierung der Zivilgesellschaft und ein intensiver Dialog zwischen Parteien und Bürgern notwendig, denn ohne eine erneuerte politische Kultur könne es keine demokratische, von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragenen Reformen geben. Die Bürger und die politischen Parteien dürften die Initiative nicht den „Technikern“ überlassen.

Ob der Appell von „Libertà e Giustizia“ Wirkung zeigt, ist fraglich. Noch überwiegen in den Parteien Machtspiele und interne Querelen; das politische Aushandeln möglicher Bündnisse und Reformen vollzieht sich meist hinter verschlossenen Türen, wie vor kurzem bei einem Treffen der Parteiführer, die derzeit die Regierung Monti unterstützen (Alfano/Pdl, Bersani/PD und Casini/Terzo Polo), bei dem wichtige Themen wie die Parlamentsreform und die Änderung des Wahlgesetzes verhandelt wurden. Von einer gemeinsamen Front gegen die Korruption kann schon gar nicht die Rede sein, im Gegenteil: B.s PdL erhöht derzeit massiv den Druck auf die Regierung, um ein Antikorruptionsgesetz zu verhindern. Von „Erneuerung von innen“ ist nichts zu spüren. Da müssten schon die Bürger selbst das Heft des politischen Handelns in die Hand nehmen und den Parteien „Beine machen“. Die anstehenden Kommunalwahlen in Mai böten dazu Gelegenheit, ob sie genutzt wird, ist ungewiss. Dipende da noi…

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