Entschärfter Konflikt?

Mario Monti, der kürzlich von einer Reise nach Ostasien zurückkehrte, ist für Überraschungen gut. Zunächst kam die Meldung, während eines Auftritts in der Zentralschule der Kommunistischen Partei Chinas habe er eingeräumt, dass der Kapitalismus wegen eines allzu leichtfertigen Umgangs mit den einzuhaltenden Regeln einen Großteil der Schuld an der gegenwärtigen Krise in Europa und den USA trage. Für einen „Techniker“, der den Banken nahe steht, ist dies eine bemerkenswerte Aussage, auch wenn man gern Genaueres erfahren hätte, welche Regeln er meinte.

Die zweite Überraschung ist die Eleganz, mit der er den sich abzeichnenden Konflikt über das Kündigungsrecht (siehe die Beiträge über die „Zerreißprobe“) plötzlich wieder entschärft hat. Artikel 18 des Beschäftigtenstatuts sollte eigentlich so verändert werden, dass die Arbeitgeber im Falle betriebsbedingter Kündigungen freie Hand bekamen, indem im Zweifelsfall nur noch über die Höhe der Abfindung, nicht aber über die Wiedereinstellung zu verhandeln war. Die innerbetrieblichen Machtverhältnisse hätten sich dadurch grundlegend verschoben, denn den Arbeitgebern hätte sich die Möglichkeit eröffnet, unter dem Etikett „betriebsbedingter Kündigungen“ unerwünschte Mitarbeiter jederzeit loswerden zu können.

Nun hat Monti plötzlich doch dem Kompromissvorschlag zugestimmt, den die PD unter Bersani schon lange verficht und mit dem wohl auch die Gewerkschaften (einschließlich der CGIL) leben könnten, auf den sich aber die Regierung Monti bisher auf keinen Fall einlassen wollte: auf das „deutsche Modell“, welches dem Arbeitsgericht, das eine betriebsbedingte Kündigung für „ungerechtfertigt“ erkennt, auch die Möglichkeit gibt, nicht nur die Abfindung, sondern auch die Wiedereinstellung des Betroffenen zu verfügen. Er gab damit dem Druck nach, der nicht nur von der CGIL und der mit ihr verbundenen PD, sondern auch von Staatspräsident Napolitano ausging.

Der verbleibende Unterschied zum deutschen Arbeitsrecht wird darin bestehen, dass dem gerichtlichen Verfahren noch eine Schlichtungsinstanz in Gestalt der zuständigen territorialen Arbeitskammer vorgeschaltet wird. Monti scheint zu erwarten, dass die meisten Konflikte um betriebsbedingte Kündigungen schon hier entschieden werden.

Noch ist die Partie nicht entschieden, denn nun sind es die italienischen Arbeitgeberverbände, die gegen Montis Reformpaket protestieren. Und die CGIL kritisiert, dass Montis Reform des Arbeitsmarktes in der jetzt vorliegenden Form nicht hält, was sie einmal versprochen hat: die Eindämmung der prekären Arbeitsverhältnisse, die vor allem für die jüngere Generation leider zur Normalität geworden sind. Davon ist wenig geblieben. So lässt sich gegenwärtig eigentlich nur sagen, dass der gewerkschaftliche Widerstand und der Druck der PD eine Demontage des italienischen Arbeitsrechts verhindert haben.

Auch ansonsten sind die Reformen eine Rosskur mit ungewissem Erfolg. Nicht nur deshalb, weil der „Spread“ (die Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Staatsschuldverschreibungen) schon wieder zunimmt. Außerdem mehren sich die Anzeichen dafür, dass die italienische Wirtschaft auf eine schwere Rezession zusteuert – auch wegen des Sparkurses der Regierung, dem viele Infrastrukturmaßnahmen zum Opfer fallen und der die Konsumneigung sinken lässt.

Der grundlegende Zweifel bleibt, ob der rigide Entschuldungskurs, den die EU nicht nur Italien, sondern auch den anderen südeuropäischen Ländern (mit Griechenland an der Spitze) auferlegt, diesen Ländern tatsächlich nutzt. Bekanntlich kann eine Kur gelingen, aber der Patient ist trotzdem am Ende tot. Ein Zweifel, den auch schon Uwe Ploch in seinem Kommentar zu „Zerreißprobe (2)“ angemeldet hat. Mit Recht.