Monti gleich Berlusconi?

Die radikalere italienische Linke hat entdeckt, dass Monti „rechts“ ist. Rossana Rossanda, die Ikone der italienischen 68er, polemisierte kürzlich im „Manifesto“ gegen Leute, die den Reformen Montis den Mantel einer „höheren Weisheit und Objektivität“ umhängen wollen. Er sei ein „Neoliberaler“, der das Eigentum vertrete und es von allen Fesseln befreien wolle, die ihm die abhängig Beschäftigten in den vergangenen Jahrzehnten angelegt hätten, siehe den Art.18 des Arbeiterstatuts. Auch Nichi Vendola, der Vorsitzenden der SEL, meint, Montis Politik sei „rechts und neoliberal“ („liberista“) und unterscheide sich von Berlusconis Politik nur im „Stil“. Für Luigi de Magistris, den frisch gewählten Bürgermeister von Neapel, liegen die Dinge noch einfacher: „Montis Politik ist die von Berlusconi“.

In der Tat: Die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Monti verfolgt, ist „rechts“. Beim Versuch, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, bittet er insbesondere die Mittelschichten zur Kasse. Er versucht zwar auch, reichen Steuerflüchtlingen und –hinterziehern zu Leibe zu rücken, aber nimmt wohl an, dabei keine kurzfristigen Erfolge erzielen zu können. So hält er sich beim Sparen zunächst an diejenigen, die seinen Steuern nicht entkommen können, an die abhängig Beschäftigten und Konsumenten. Und es gibt Äußerungen von ihm, die nicht gerade für soziale Sensibilität sprechen, wie sein Ratschlag an jüngere Italiener, die Hoffnung auf einen lebenslangen Arbeitsplatzes aufzugeben, zumal der auf die Dauer ja auch „monoton“ sei. (das Problem der jüngeren Generationen ist es, überhaupt eine Beschäftigung zu finden).

Monti ist also ein „Rechter“. Aber heißt das auch, dass „Monti gleich Berlusconi“ ist?

Schon auf wirtschaftspolitischem Gebiet gibt es da einen kleinen Unterschied. Als sich Napolitano im vergangenen Herbst entschloss, die Regierung B. durch die Regierung Monti zu ersetzen, drohte Italien der Staatsbankrott, und es war offensichtlich, dass B. nicht der Mann war, um ihn abzuwenden. Das Beispiel Griechenland zeigt, welche soziale Katastrophe ein solcher Bankrott bedeuten konnte. Monti, obwohl „rechts“, wendete diese Gefahr erst einmal ab.

Es gibt da noch einen zweiten Unterschied. B. versuchte, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Medien und der Justiz auszuhebeln, zugunsten eines autokratischen Regimes, in dem Korruption, Vetternwirtschaft und Mafia freie Bahn gehabt hätten. Wenn Vendola hier bei Monti nur einen anderen „Stil“ sieht, degradiert er die „demokratische Frage“ zum Luxusthema. Eigentlich ist Vendola viel zu kreativ, um zu den linken Betonköpfen zu gehören. Aber hier begeht er einen Fehler, der in der radikalen Linken eine lange Tradition hat.

Natürlich ist die gegenwärtige Lage Italiens kompliziert. Zur Regierung Monti kam es auch deshalb, weil es in der Krise des vergangenen Herbstes keine Neuwahlen gab. Napolitano als Staatspräsident hätte sie damals vielleicht durchsetzen können, und B. hätte sie wohl auch verloren. Dass Napolitano darauf verzichtete, betrachten viele italienische Linke als verpasste Gelegenheit. Aber Napolitano hatte für diesen Verzicht einen Grund: Sehr wahrscheinlich hätte ein mehrmonatiger Wahlkampf das Land endgültig in den Abgrund gerissen.

Es war allerdings ein Verzicht, der einen dreifachen Preis hatte.

  1. Die parlamentarische Mehrheit der Parteien, welche die Regierung Berlusconi getragen hatten, blieb erhalten und fasst noch gelegentliche Beschlüsse, die ganz auf der Linie der alten Regierung liegen.
  2. Die größte bisherige Oppositionspartei, die (sozialdemokratische) PD, ging ein „widernatürliches Bündnis“ mit Berlusconis PdL ein, um
  3. eine „technische“ Regierung von Professoren zu tragen, die sozialpolitisch eher „rechts“ ist – aber die einzige, auf die man sich bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen einigen konnte.

Eine Situation, die vor allem für das Mitte-Links-Lager eine Zerreißprobe darstellt und manche Linke überfordert. Aus der Feststellung, dass Montis Politik „rechts und neoliberal“ sei, folgert Vendola, dass „sich ihr eine moderne und bürgernahe Linke widersetzen muss“. Ist das etwa nicht logisch? Wenn’s doch so einfach wäre!

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