Berlusconis Agonie?

Die Politik, welche die Finanzmärkte den in die Krise geratenen Ländern aufzwingen, scheint demokratische Entscheidungen auszuschließen. Als Papandreou eine Volksabstimmung über die Annahme des ihm auferlegten Sparpakets ankündigte, geriet alle Welt in Panik. Mit Recht, denn der Entscheidungsaufschub bis zu einer solchen Volksabstimmung riskiert, dass Griechenland schon vorher in den Staatsbankrott getrieben würde – mit allen Konsequenzen nicht nur für das Land, sondern ganz Europa. Mit gleichem Recht könnte man allerdings fragen, was eine Demokratie wert ist, wenn das Volk, das ein solch durchgreifendes Sparprogramm auszubaden hat, sich nicht wenigstens dazu äußern kann, ob es dazu bereit ist – auch wenn es nur noch zwischen Pest und Cholera wählen kann. Aber Europa kann aufatmen: Die Drohung mit der Volksabstimmung war nur eine Finte, um eine griechische Maxi-Koalition zu bilden, die gemeinsam das Sparprogramm exekutiert.

In Italien ist es Staatspräsident Napolitano, der sich noch am ehesten der Zwänge bewusst ist, unter denen derzeit Italien steht. Während B. unverdrossen weiter beteuert, dass es für Italien überhaupt keine Krise gebe (siehe „Blüte“), fordert Napolitano öffentlich alle Akteure dazu auf, sich in den Dienst der Krisenbewältigung zu stellen. Das heißt keine Neuwahlen, welche das Land für Monate führungslos machen würden, sondern sofortige Bildung einer Regierung auf breiter Grundlage, die auch große Teile der bisherigen Opposition einbezieht. Nur so könnten – so sein Argument – die jetzt notwendigen Maßnahmen von einem weitgehenden gesellschaftlichen Konsens getragen werden, der etwa auch die Gewerkschaften einbezieht (welche mit einem Generalstreik gegen den von der Regierung vorgelegten Sanierungsplan drohen). Auch hier wäre eine solche Notkoalition nicht die demokratischste Lösung, denn die Mehrheiten in Parlament und Senat würden erst einmal bleiben, wie sie sind. Aber wichtiger sei es, den Finanzmärkten das „Vertrauen“ einzuflößen, das Italien zuallererst braucht.

Napolitano hat in der vergangenen Woche den Worten Taten folgen lassen, wobei er bis an die Grenze seiner Kompetenzen ging. Obwohl die Regierung Berlusconi noch über eine parlamentarische Mehrheit verfügt, lud er die Führer aller großen im Parlament vertretenen Parteien zu „informellen“ Konsultationen ein. Mit dem Ergebnis, dass sich nicht nur das Zentrum um Casini, sondern auch die PD als größte Oppositionspartei und mit ihr Di Pietros IdV zum Verzicht auf Neuwahlen und zum Eintritt in eine solche Maxi-Koalition bereit erklärten. Mit einer Regierung, deren Minister von den beteiligten Parteien gestellt würden, und einer Spitze, die über den Parteien steht und national wie international angesehen ist. Die Person hat man schon ins Auge gefasst: Mario Monti, der ehemalige EU-Kommissar.

Der Hakten des schönen Plans heißt Berlusconi. Die Opposition ist sich darin einig, dass er vorher zurücktreten muss – den Eintritt in eine erweiterte Regierung unter seiner Führung lehnt sie ab. Während er sich jedoch verzweifelt an sein Amt klammert. Bossi brachte es laut „Repubblica“ auf den Punkt: „Ich habe ihn gefragt, ob er nicht zurücktreten will, aber er will nichts davon wissen… Er hat Angst vor den Gerichten und um seine Unternehmen“. B. will also die Stellung halten, um jeden Preis (und auf Kosten Italiens). Wenn er untergeht, so B.s Argument, gibt es eben Neuwahlen.

Inzwischen regt sich auch in der PdL Widerstand. Eine Gruppe von zunächst 6 Abgeordneten der PdL hat ihm einen Brief geschrieben, in dem sie eine „Politische Wende“ und eine „Erweiterung der Mehrheit“ fordern, wohl wissend, dass dies mit B. als Ministerpräsidenten nicht möglich ist. Hinter dieser (indirekten) Rücktrittsforderung steckt nicht nur die Sorge um das Wohl des Landes, sondern auch um das eigene Wohl: Viele Abgeordnete fürchten vorzeitige Neuwahlen, weil sie dadurch ihre üppige Altersversorgung (die eine 5-jährige Abgeordnetentätigkeit voraussetzt) verlieren würden. Dann doch lieber die Machtteilung mit der Opposition, und dafür die volle fünfjährige Legislatur. B. band die PdL-Abgeordneten an sich, indem er sie mit Geld und lukrativen Posten bestach. Das wendet sich jetzt gegen ihn.

Lassen wir auch hier Bossi das letzte Wort. Er selbst wolle B. nicht zum Rücktritt zwingen. „Das besorgt schon die PdL selbst, damit brauchen wir uns nicht die Hände schmutzig zu machen“. Die Anzeichen mehren sich, dass sich B. nicht mehr retten kann.