Regierung der Unverantwortlichen

Mittlerweile wird sich kaum noch jemand daran erinnern, dass 1953 der damalige Sekretär der PSDI und spätere Staatspräsident Giuseppe Saragat – nach der Niederlage seiner Partei bei den Parlamentswahlen – dafür das „zynische und trügerische Schicksal“ verantwortlich machte. Aber der Ausspruch wurde dann in Italien zum geflügelten Wort.

Nachdem sich Merkel und Sarkozy in ihrer Pressekonferenz über ihn – und leider auch über ganz Italien – lustig gemacht hatten, ist Berlusconi nicht besseres eingefallen, als sich mit den „linken“ Zeitungen (also mit allen, die er nicht besitzt) und der „antiitalienischen“ Opposition anzulegen, die „Pessimismus, Negativität und Defätismus“ verbreiteten. Für B. sind auch die ausländischen Zeitungen schuld, die jetzt darin wetteiferten, Italien als Bananenrepublik zu beschreiben.

Und tatsächlich: Während B. auch jetzt noch seinen wohlfeilen Optimismus verbreitet („Nach Deutschland ist Italien das solideste Land Europas„), charakterisiert eine geachtete Zeitung wie die „Süddeutsche“ die von B. geführte Regierung als „schon fest kriminell handlungsunwillig“. Für die Zeitung aus München eine seltene Ausdrucksweise, erst recht, wenn es um eine europäische Regierung geht.

B. kümmert es nicht. Für ihn ist es leichter, den Vertreter Italiens in der EZB, Bini Smaghi, zu beschuldigen, durch seinen unterlassenen Rücktritt den französischen Präsidenten Sarkozy verärgert zu haben, als die französische Haltung darauf zurückzuführen, dass sich die italienische Regierung zu spät der Krise gestellt hat.

Kurzum: Für den italienischen Ministerpräsidenten liegt die Schuld, wie üblich, wieder bei anderen, während er und seine Minister für nichts verantwortlich sind. Hier sind wir uns ausnahmsweise mit ihm einig: Die Regierung Berlusconi ist eine Regierung der Unverantwortlichen.

Nur wer nicht bereit ist, politische und moralische Verantwortung zu übernehmen, kann vor der Schwere der gegenwärtigen Krise die Augen verschließen und ein Land wie Italien in den wirtschaftlichen Abgrund treiben. Wer jetzt zynisch mit dem Schicksal von Millionen Menschen spielt, Jugendliche und Rentner aufeinander hetzt und allen – außer den Allerreichsten – Opfer auferlegt, und gleichzeitig separatistischen Tendenzen Raum gibt, die das Land zerreißen können, kann – nein: muss! – unverantwortlich genannt werden.

Um dem Drängen der anderen europäischen Länder zu entsprechen, die sich wegen der enormen italienischen Staatsverschuldung Sorgen machen, haben Berlusconi und Bossi in letzter Minute einen ebenso langen wie (im Hinblick auf konkrete Verpflichtungen) vagen Brief geschrieben. Ein prachtvolles Beispiel italienischer Schlauheit. Wir haben Zweifel, ob die Operation Erfolg haben wird: B.s Glaubwürdigkeit in Europa ist schon seit einiger Zeit fast Null, wer sollte gerade jetzt seinen neuerlichen Versprechen für die Zukunft glauben? Zumal sowohl er als auch Bossi schon darüber nachdenken, wie sie das sinkende Regierungsschiff verlassen können, um sich dann womöglich als Verteidiger der italienischen Renten gegen das europäische Diktat aufspielen zu können.

Ein Ergebnis scheinen die fieberhaften Treffen der letzten Stunden B. schon gebracht zu haben. Er ist dabei, gut versteckt in dem Maßnahmenbündel gegen die Krise, sein vierzigstes Gesetz „ad personam“ durchzubringen, das schon „Anti-Veronica-Gesetz“ genannt wird. Es soll ihm ermöglichen, seinen Kindern Marina und Piersilvio die Kontrolle über Mediaset und Mondadori zu hinterlassen, zum Schaden der drei Kinder, die er mit Veronica Lario hat (die sich von ihm scheiden lässt). Auch als Vater zeigt B. seine Inkonsistenz.

An den anfangs zitierten blumigen Ausspruch von Saragat erinnert man sich noch nach vielen Jahren. Bei Berlusconi wird man sich vermutlich an Bunga-Bunga erinnern. Und an die Katastrophen, die er Italien geschenkt hat.

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