Der Kreuzzug des Borghezio

Ist Anders Breivik, der norwegische Massenmörder, ein Einzelfall? Sein Verteidiger erklärt seine Tat mit dem Glauben, „er sei im Krieg, und wenn man im Krieg sei, könne man solche Dinge tun, ohne schuldig zu werden“ (der Verteidiger plädiert auf Geisteskrankheit).

Auch Italien reagiert, wie Europa, überwiegend mit Unverständnis und Entsetzen. Aber hier gibt es auch eine andere Stimme. Sie gehört Mario Borghezio, der sich vor wenigen Tagen gegenüber dem italienischen Radiosender 24 äußerte: Breivik habe Ideen, die in Europa

„Millionen von Menschen teilen und von denen viele gut, einige sogar optimal sind. Sein Fall zeigt exemplarisch, dass der Weg des Gutmenschentums in die wirkliche Hölle führt. Die Ideologie der offenen Gesellschaft erzeugt Monster. Der Killer Breivik ist das Resultat dieser offenen, multirassischen, ich möchte sagen orwellianischen Gesellschaft. Diese Gesellschaft erzeugt das Verbrechen. Wenn es zu bestimmten Situationen des Unbehagens und der Unduldsamkeit kommt, endet es unweigerlich in der Tragödie. Wenn ein Volk das Gefühl hat, Opfer eine Invasion zu sein, ergeben sich solche Reaktionen, auch wenn Exzesse zu verurteilen sind… Die offene Gesellschaft ist nicht das Paradies auf Erden, wie uns die Meinungsmacher glauben machen. Die offene und multirassische Gesellschaft ist widerlich“.

Also „auch wenn Exzesse zu verurteilen sind“: Die offene Gesellschaft ist selbst schuld, und – natürlich – der Islam. So zeigte Borghezio einige Monate zuvor auch Verständnis für einen anderen Massenmörder, Ratko Mladic, der 8000 Muslime allein in Srebrenica ermorden ließ. Nach Mladics Verhaftung im Mai dieses Jahres erklärte Borghezio:

„Mladic ist ein Patriot… Die Serben wollten den Vormarsch des Islam in Europa aufhalten, aber es wurde ihnen verwehrt“
(Repubblica vom 28. 5. 2011).

Auch Borghezio fühlt sich im Krieg, in dem sich allerdings die eigenen Heldentaten – bisher – in Grenzen hielten: 1993 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er gewaltsam ein marokkanisches Kind festhielt. 2001 zündete er mit Kumpanen in Turin die Zelte von „Extracomunitari“ an, die unter einer Brücke schliefen, was ihm eine Geldstrafe von 3040 € einbrachte. Im Februar 2006 vertraute er dem „Corriere della Sera“ an, von Immigranten und Kommunisten angepöbelt und einmal sogar verletzt worden zu sein. Seine eigentliche Domäne sei jedoch die Rednertribüne. Auf der „verwandele“ er sich, „und dann sage ich Dinge direkt aus dem Bauch. Es ist aufregend, fast wie ein Orgasmus“.

Ist Borghezio also nur ein weiterer Verrückter, der auf dieser Erde herumläuft? Nein, er ist mehr. Er ist ein exponiertes Mitglied der Lega, was sich auch darin zeigt, dass sie ihn von 1999 bis 2004 zum Chef der Regierung der Phantom-Republik „Padanien“ machte. Als Lega-Mann saß er von 1992 bis 2004 im italienischen Parlament, als ebensolcher sitzt er seit 2001 im Europarlament. Und da die Lega nun einmal der wichtigste Koalitionspartner von Berlusconi ist, gehört auch Borghezio zur Koalition. Als B. 1994 seine erste Regierung bildete, wurde Borghezio als gelernter Jurist Unterstaatssekretär im Justizministerium.

An Borghezio sieht man einmal mehr, welch illustre Gesellschaft Berlusconi in seiner Koalition zusammenbrachte. Aber da Italien nun einmal mit Norwegen in EU und Nato zusammensitzt, entschuldigten sich sogar Vertreter der Lega wegen seiner Äußerungen bei der norwegischen Regierung. Aber das war’s dann auch. Borghezio gehört ja zu ihnen. Auch ideologisch. Und wir werden uns noch auf ein paar weitere seiner „Orgasmen“ gefasst machen können.

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