Zahlenspiele

(Opposition 2)

Wenn wir die gegenwärtig zu erwartenden Stimmanteile der Oppositionsparteien einfach numerisch zusammenzählen könnten, wäre B.s Herrschaft mit der nächsten Wahl beendet. Die Prognosen differieren. Nach einer aktuellen Prognose, welche die „Repubblica“ am 19. Dezember veröffentliche, käme ein erneuerter Mitte-Links-Block „Nuovo Ulivo“ gegenwärtig auf 39,5 %, der „Dritte Pol“ im Zentrum auf 13,5 %, der Bossi-Berlusconi-Block auf 42,5 %. Beide Oppositionsblöcke zusammen hätten also deutlich über 50 %.

Aber die politische Realisierung dieser Mehrheit trifft auf zwei Hindernisse:

  1. Das Wahlgesetz. Über dieses Gesetz, nicht umsonst „Porcata“ (Sauerei) genannt, berichteten wir. Es garantiert jedem Wahlbündnis, das bei Parlamentswahlen auch nur die relative Mehrheit erzielt, durch eine sog. „Mehrheitsprämie“ die absolute Mehrheit der Sitze. Träten die drei Bündnisse in der gegenwärtigen Situation zur Wahl an, würde der Berlusconi-Bossi-Block im Parlament erneut die Mehrheit bekommen, die ihm im Lande fehlt. Und der Opposition bliebe die Gemeinsamkeit, vereinte Minderheit zu sein. Es tröstet wenig, dass es die entsprechende Mehrheitsprämie bisher nicht im Senat gibt (B. ließ jedoch verlauten, dass er an ihr „arbeite“). Bliebe alles beim Status quo, würde Italien nach der nächsten Wahl – bestenfalls – unregierbar werden, denn Senat und Parlament haben bei der Gesetzgebung gleiche Kompetenzen. Natürlich ist das Problem auch der Opposition bewusst. In der PD, der größten Oppositionspartei mit einem Stimmenanteil von etwa 25 %, wird seit längerem diskutiert, ob man nicht lieber mit dem sich bildenden „Dritten Pol“ im Zentrum statt mit dem alten Mitte-Links-Bündnis zusammengehen sollte. Aber auch dieses Bündnis, so die aktuelle Prognose, bliebe wahrscheinlich einige Prozentpunkte unter dem Bossi-Berlusconi-Block. Der also auch in dieser Konstellation im Parlament erneut die absolute Mehrheit erhielte. „Also weg mit dem Wahlgesetz!“ Schön wär’s. Die Bildung der notwendigen Mehrheit, zumindest im Parlament, hat B. gerade verhindert. Der nötige Übertritt einiger Abgeordneter kostete ihm vermutlich ein paar Millionen, aber für B. sind sie gut angelegt.
  2. Das zweite Hindernis ist die Spaltung der Opposition. Warum geht sie nicht vereint und mit einem einzigen großen Bündnis in die nächste Wahl? Wäre ihr so der Sieg nicht sicher, auch bei Fortdauer der „Porcata“? Der nahe liegende Gedanke wird vor allem in der PD diskutiert, unter dem Stichwort „Grande Alleanza“. Hier kommt nun die subjektive Zerrissenheit der Opposition ins Spiel, auf die noch einzugehen ist. Sie hat aber auch eine objektive Seite. Denn gegen B. zu sein, schafft für ein derartiges Bündnis nur ein negatives programmatisches Fundament. Auf welche gemeinsamen Projekte sollen sich zum Beispiel Vendolas „linke“ SEL und Finis „rechte“ FLI einigen? Das Schicksal der letzten Prodi-Regierung, die 2006 die Wahlen gewann, ist in Erinnerung. Es beruhte ebenfalls auf einem Bündnis, das vor allem das Nein zu Berlusconi zusammenhielt – und schon zwei Jahre später an seinen inneren Widersprüchen zerbrach. Hinzu kommt ein strategischer Gesichtspunkt: Um den 40%-Block des Bündnisses zwischen Bossi und Berlusconi aufzubrechen, hilft es wenig, wenn Fini, der sich als Konservativer präsentierte, plötzlich ins „Mitte-Links“ Lager überwechselt. Seine Anhänger würden ihm davonlaufen, wie übrigens die Wähler, die sich immer noch als „links“ verstehen, wegen des Bündnisses mit einer „rechten“ Kraft auch ihren Parteien davonlaufen würden. Der 40 %-Block bliebe unbehelligt und würde weiterhin die rechte Seite monopolisieren. Wäre es da nicht besser, im Zentrum die Bildung eines „Dritten Pols“ zuzulassen?