Arbeitskämpfe in Italien

Die Wirtschaftskrise ist noch nicht vorbei, das bekommen vor allem die Italiener sehr deutlich zu spüren. In Norditalien steigt die Arbeitslosigkeit, nehmen die Firmenpleiten kein Ende. Der Wirtschaftsmotor des Landes stottert gewaltig und die Prognosen geben für 2010 keine Entwarnung. Das soziale Netz ist in Italien löchrig, umso verzweifelter reagieren die Menschen auf drohenden Jobverlust. „Seit Monaten wissen wir nicht, was mit unserem Geld ist„, erzählt Fabio, Mitarbeiter eines Callcenters in der Nähe von Mailand. Seit November zahlt das Unternehmen keinen Lohn mehr aus, die Angestellten werden von Monat zu Monat vertröstet. Und arbeiten derweil gratis. Aus Wut darüber haben sie ihre Chefs mehrere Stunden lang in der Firma eingesperrt. Gebracht hat es nicht viel. Die Manager riefen die Polizei und erklärten auf Anraten der Polizisten, demnächst die ausstehenden Gehälter auszahlen zu wollen. Aber die Aktion fand starke Beachtung in den Medien und das ist nach Meinung von Fabio und seinem Callcenterkollegen Billy die einzige Chance, gehört zu werden. Überall dieselben Szenen. Wut, Verzweiflung, Proteste. Von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise ist besonders der stark industrialisierte Norden betroffen. In einer von der Schließung bedrohten Fabrik haben sich Arbeiter auf dem Dach angekettet und das Werk besetzt, um den Abtransport der Maschinen zu verhindern.

Verzweiflung herrscht auch auf der anderen Seite: bei den Arbeitgebern.“Ich bin dabei, eine Hypothek auf mein Haus aufzunehmen, um die Firma zu retten“ sagt dieser Kleinunternehmer aus der Provinz Verona. Die Maschinen in seiner Fabrik laufen noch, aber die Auftragslage ist miserabel.“Das schlimmste an dieser Krise ist das Wissen , dass ich meinem Sohn einen Berg von Schulden aufbürde“, sagt der 60jährige beklommen. Die Alternative hieße: aufgeben. So wie es bereits Tausende Kleinbetriebe in der Region Venetien getan haben. Schluss, aus, Bankrott. Hier, wo sich Fabrikgebäude an Fabrikgebäude reiht, sterben die Unternehmen. Und die Unternehmer. 13 Firmenbesitzer habe sich seit Anfang der Krise im Sommer 2009 das Leben genommen, in ihren Abschiedsbriefen ist fast immer von der Kreditklemme die Rede, von der Verantwortung gegenüber den Arbeitern, von der Ausweglosigkeit.

Die Menschen klammern sich an ihre Arbeitsplätze, als ginge es um ihr Leben. Und das ist in einem Land, indem es maximal zwei Jahre Arbeitslosengeld gibt, kein Kindergeld und keine Sozialhilfe, durchaus nachzuvollziehen. Mit der Angst um den Job wachsen die sozialen Spannungen. In einem Betrieb mittlerer Größe haben die Mitarbeiter den Personalchef schriftlich aufgefordert, doch bitte zuerst die Immigranten zu entlassen, die hätten angeblich ja keine Familien zu ernähren. Die Gewerkschaften fürchten sich vor einem Rechtsruck ihrer Mitglieder, sie predigen Solidarität unter den Arbeitern. Onorio Rosati, Gewerkschaftssekretär in Mailand, ist sich aber auch bewusst, dass die Solidarität Grenzen hat, wenn es knapp wird. Er sieht deshalb dringend Handlungsbedarf: Wenn die Politik hier nicht eingreift, indem sie Ressourcen zugunsten der Arbeiter verteilt, riskieren wir hier eine Rebellion gegen den Staat, die Anzeichen dafür sind bereits zu spüren.“

Um auf die dramatische Situation aufmerksam zu machen, ruft die Gewerkschaft CGIL zum Generalstreik auf. Am 12. März sollen die Maschinen still stehen, in ganz Italien.